Ein Mensch vermag sich nur dem hinzugeben, was ihm als gut erscheint. Selbst wenn es manche gibt, die das gefährliche oder gar das Böse verehren, erfolgt so etwas faktisch niemals hingebungsvoll. Hingabe bedeutet immer das Gute, als eine Form der Liebe zu etwas Gutem oder einem Menschen der »gut« ist.
Wichtig zu bemerken jedoch, dass manche Dinge, die für uns nicht gut sind, für andere eben doch gut sind. Was das bedeutet, bringt ein japanisches Sprichwort auf den Punkt:
Der Bauer betet um Regen, der Wäscher um Sonne.
Hieße das aber nicht, dass alles als gut angesehen werden könnte, weil es für irgendein Wesen vielleicht gut ist?
Das Gute in Allem
Ob man Menschen bei uns oder Menschen aus dem Orient fragt, woher all die unzähligen guten Dinge ursprünglich kommen, erhielte man wohl fast immer als Antwort, dass sie von einem Wesen höchster Geistigkeit ausgehen.
Ein guter Mensch schafft das Gute. Nicht aber allein für sich. Vielmehr liegt ihm daran es auch an andere weiterzugeben. Man könnte dann sogar sagen, dass nicht nur das von ihm Geschaffene ein Gut, sondern auch er selbst eine Manifestation des Guten ist. Vor diesem Hintergrund liegt die Überlegung nahe, ob es damit vielleicht auch solche Menschen gibt, die eine Verbindung zu einem »Guten Gott« haben, der als Verkörperung aller Güte letztendlich zu allen und immer gut ist – auch wenn die Güte seiner Gabe in dem Augenblick, wo sie einem seiner Verehrer zuteil wird, nicht gleich als solche verstanden und empfunden wird. Es bedarf nämlich oft eines »Zweiten Blicks« auf eine Sache oder ein Ereignis, um sie nach einer gewissen Zeit zu begutachten, um ihren wahren Rang als gut bewerten zu können.
Könnte man von dem Gesagten über die bewertende Betrachtung des vollkommen Guten, aber vielleicht auch von einer wahren und vollkommen religiösen Hingabe sprechen? Dann nämlich bräuchte nichts mehr in Frage gestellt zu werden und ein Mensch könnte somit immer alles wertschätzen.
Sicher lässt sich jeder Erfahrung etwas Gutes abgewinnen. Darum sollte man eben auch »das Gute in allem suchen«. Ginge es nun aber darum, sowohl das Gefühl als auch den Intellekt eines Menschen damit anzusprechen, wäre es wohl einfacher zu sagen, man solle »den Gott in allem suchen«. Trotzdem ist das hier schneller geschrieben und gelesen, als tatsächlich vollbracht. Denn bei der Suche nach dem Guten in Allem, stößt die eigene Gefühlswelt schnell auf empfindliche Widersprüche. Es ist schließlich eine Sache der eigenen Erfahrung, wo jeder, der vielleicht schon ein paar Jahrzehnte auf der Erde ist und zurückblicken kann auf sein Leben, für viele seiner sogenannten »negativen Lebensereignisse« sicherlich bestätigt, dass sie immer auch Aspekte besaßen, die sich im Nachhinein als günstig oder eben gar als gut erwiesen. So jemandem gelang wohl Geduld zu bewahren, bis ihm jener, eben angedeutete Zweite Blick eine positive Perspektive eröffnete.
Es scheint damit also durchaus möglich, sich allen Situationen im Leben erst mutig zu stellen, um ihnen so immer zuerst etwas Gutes abzugewinnen. Ganz allmählich öffnet sich dann nämlich das Herz und erlebt eine Zuversicht in dem eigenen Hingeben sogar an das, was einen richtig rannimmt, mit Problemen konfrontiert und in echte Schwierigkeiten bringt.
Was hier gesagt wird, bedeutet nicht etwa nur eine reine Philosophie, die sich jemand mal eben ausdachte. Es ist eine echte Wahrheit die gefunden werden und auch zum eigenen Vorteil verstanden werden kann. Aber leider sind nur die wenigsten Menschen dazu bereit. Sie geben sich einfach mit den Beschreibungen dessen ab, was all die unzähligen Weisheitslehren in West und Ost schreiben, über das Gute, das Schlechte, das Wohlsein und das Leiden – etwas das sie lesen, darüber nachdenken, doch das sie leider nur selten versuchen auch in ihr praktisches Leben zu integrieren. Doch was bleibt dann noch übrig von den Bedeutungen dessen, was man als die Ursprünge unserer Welt bezeichnet, woraus Wahres, Schönes und Gutes entstand?
Zwischen Mensch und Gott
Im Hinduismus begegnen wir der Vorstellung von »Bhakti«, was eine spirituelle, in liebender Zuwendung geübte Beziehung beschreibt, einer Beziehung zwischen Mensch und Gott. Ein Mensch der sich auf diesen Weg begibt, wird dabei zum »Bhakta«, einem »Gottgeweihten«, der ganz und gar damit zufrieden ist, was er gegenwärtig erlebt, da ihm bewusst ist, dass alles im Beisein des Guten geschieht. Natürlich weiß ein Bhakta, dass solch Hingabe an das Seiende, niemals ganz vollkommen sein kann. Doch er versucht sich dennoch daran zu erfreuen, da er einfach fühlt, dass seine Fähigkeiten hierfür allmählich zunehmen, um schließlich sein ganzes Leben zu erfüllen und damit immer präsent zu sein. Hingabe ist für den Bhakta darum, ganz gleich was ist, gut, und damit Quelle der Freude.
Was das Gesagte andeuten will, ist, dass es für diesen Weg zur Steigerung der Fähigkeit der Hingabe, einen eigenen, religiösen Yoga-Weg gibt. Ziel dieses Yoga ist einem Menschen zu helfen ein Leben in Aufrichtigkeit zu führen, worin ihm Glück und Freiheit zuteil werden. So jemand nämlich lernt den göttlichen Funken in sich und bald auch in allen anderen Lebewesen zu erkennen. Ein Bhakta entspricht damit den kleinen, täglichen Aufgaben als Mensch, so wie es seinem Denken nach, seiner Liebe und Willenskraft entsprechend gut für ihn ist. Hingebungsvoll wird er damit seinem Nächsten gegenübertreten, den er so behandelt, als würde es seinem eigenen Wohlergehen dienen.
Aber natürlich kann es auch geschehen, dass er dabei sein Tun, als nur all zu gut empfindet und sein Kümmern und Helfen schon bald den Tücken einer Selbstsucht anheim fällt. Und mit so etwas hat sich wohl die eine oder der andere schon bald in gefährliche Größenwahn-Szenarien verirrt. Denn bald schon folgt dem damit einhergehenden, übersteigerten Geltungsdrang eine Paranoia, sobald sich immer mehr Zweifelhaftes um einen sammelt. Aus Paranoia wird dann schnell Angst vor Gefahren, die von anderen ausgehend auf einen lauern, was einen bald Schutzhaltungen einnehmen lässt, die irgendwann zu einer aggressiven Gesamthaltung mutieren. Und wer dem Stress seines damit einhergehenden Zorns über längere Zeit ausgesetzt ist, der wird bald darunter leiden und schließlich krank.
Um die Kette solch finsterer Ursachen und deren Auswirkungen zu meiden, so die Yogis, kann niemand den Zustand des Bhakti ambitioniert verfolgen. Wahre Hingabe ist eben nicht motiviert, sondern darf als Freude am Vorfinden von Gutem empfunden werden – beim Antreffen all dessen, was einem das Leben auch immer zuspielen wird. Diese Form der Hingabe bedarf keiner besonderen Führung – setzt aber ein beständiges Üben voraus, zur Festigung von Intellekt und Willen. Und dieses Üben besteht in erster Linie im »Seinlassen« dessen was ist, einem Lösen und Loslassen im Jetzt.
Erhebung in den Bereich des Guten
Aus Perspektive der hinduistischen Religion liegt ein Irrtum vor bei westlichen Vorstellungen darüber, dass Gnade, als Antwort auf Hingabe, von oben herab kommen kann, oder, noch schlimmer, dass höhere Kräfte durch sie und durch Zeremonien herabgeholt werden können. Im Gegenteil: die Yogis des Bhakti sind der Ansicht, dass uns nur die Gnade des Göttlichen emporheben kann. Doch es wird eben nichts beabsichtigt, um etwas aus den göttlichen Himmelssphären »herabzuholen«.
Ein Ziel des Bhakti-Yoga ist, das Bewusstsein über den Verstand zur Klärung in den symbolischen Bereich des Göttlichen zu erheben. Was bedeutet das? Wenn wir unser Denken allein sich selbst überlassen, wird er sich wahrscheinlich bald in unzähligen »Grübel-Kreisläufen« verirren und irgendwann einen Geisteskollaps auslösen, was etwa dem gleichkommt, dass die wissenschaftliche Seelenkunde als »Psychose« einordnet.
Das Geistige hinter dem, worauf ich hier mit dem Weg des Bhakti-Yoga hindeutete, ist etwas, dessen sich unser Verstand bedienen kann. Es kann nämlich einen Mensch damit befähigen, sich über seinen ununterbrochenen Gedankenstrom zu erheben. Was sich da dann über seinen Verstand erhebt – als ethisches Wertesystem – kann ihn vor Kummer oder seelischen Problemen nicht nur bewahren, sondern sogar sein Denken harmonisieren. Jemandem vermag das eine klare Sicht auf seinen Lebensweg zu eröffnen und damit sein Bewusstsein über die täglichen Denkkreisläufe zu erheben. Intuition ist ein Aspekt der hierfür wichtig ist. Ziel des Bhakta ist, sein Bewusstsein zur eigentlichen Quelle der eigenen Intuition hin aufsteigen zu lassen.