Der Mensch, so heisst es, hält in allen Dingen die Mitte. Er ist weder der Stärkste, noch der Schwächste; er kann weder in dichter Finsternis, noch in zu hellem Lichte sehen; er kann weder die übergroße, hochverdoppelte Zahl, noch das ganz kleine, nicht mehr teilbare Atom erfassen.
Der Mensch kann von der Zeit nur eine Spanne erkennen und selbst die Astrologen wagen zwar aus Konjunktionen, die in je 20, je 240 oder in je 960 Jahren stattfinden, die Geschichte vorherzusagen – was ja auch schon genug wäre, könnten sie bereits dies – aus den Konjunktionen, die in je 3840 oder gar in je 7000 Jahren einmal stattfinden die Schicksale zu bestimmen – da ließen sie ihre Nase davon.
Auch die menschliche Vernunft erfasst nur die Objekte zwischen voller Klarheit und voller Verborgenheit. Den Schöpfer in seinem eigentlichen Wesen kann der Mensch wegen der all zu hellen Weisheit nicht erfassen und die Gestalt des Alls erfasst er ebenfalls nicht, wegen der Allgrösse. Auch sind die reinen, stofflosen Formen nicht fassbar, wegen der all zu großen Reinheit und Klarheit.
Zu verborgen ist dagegen das Wesen des Embryo im Mutterschoß, des Hühnchens im Ei, des Korns in der Fruchthülse, der Frucht im Blütenkelch. Denn die sinnliche Wahrnehmung erfasst selbiger (d. h. der Mensch), als fertige, jedoch nicht in der Zeit ihres Entstehens.
Will man aber die Frage, wie die Welt entstand, beantworten, dann komme man erst mit diesen Dingen ins Klare.
Trotz dieser Schranke, will man das All ordnen, und da gibt es eine Handhabe in Teilding und Allding. Alldinge sind jene neun Stufen: Gott, Vernunft, Seele, Urmaterie, Stoff, Welt, Natur, Elemente, Produkte; Teildinge aber sind alle Einzelerscheinungen, wie und wo sie immer uns begegnen. Bei den Alldingen ist die Ordnung von der Einheit bis zur Vielheit, bei den Teildingen hingegen von der Vielheit zur Einheit. Einen Ausgang gibt es und einen Heimgang – Ausgang von der Eins aus – und Heimgang zur Eins zurück, daher die Doppelordnung.
Mit diesem neoplatonischen Grundzug, wird der theologisch-mohammedanische identifiziert. Diese niedere Welt ist die Dauer der Seele mit dem Körper. Zunächst die Verbindung der Weltseele mit dem Weltkörper, sodann die Vereinigung der Menschenseele mit dem Menschenkörper. Untergang und Tod ist das Abstehen der Seele vom Gebrauch des Körpers. Die andre Welt ist das zweite Hervorgehen nach dem Tode oder die Dauer der Seele nach der Trennung.
Paradies ist die Welt der Geister, die frei vom Körper in reiner Form besteht. Hölle ist diese Welt der Leiber in dem sich wandelnden Stoff. Heimsuchung ist die Erweckung der Seele vom Schlaf der Torheit. Auferstehung aber das Aufstehen der Seele aus ihrem Grab im Leibe. Abrechnung ist die Übereinkunft der Allseele mit der Teilseele über das was sie tat, als sie sich im Körper befand.
Der gerade Pfad ist der Weg des Menschen zu Gott, dem Ursprung. Beim Einfall des Samentropfens vereinte sich eine Teilseele mit dem Neugebilde – sie ward als ein Strahl von der Allseele durch ihre Verbindung mit dem Embryo selbstständig, um als eine vollendetere zur Allseele zurückzukehren und für das Gute Lohn, für das Böse Strafe zu erhalten. Also ist der Verkehr der Teilseele mit der Allseele auf ihrer höchsten Stufe, das ist die Stufe des Menschseins.
Was auf dieser Stufe an Philosophischem und Theologischem klar ist, findet nun aber auch in den anderen Bereichen der Natur statt.
Dies Mineral bildet die erste Wesenszone, welche die Teilseele durchschreitet. Dem folgen dann die Pflanzen, dann die Menschen. Darauf findet der Eintritt in die Scharen der Engel und Himmelsbewohner statt.
Das Leben der Pflanzen-, der Tier-, der Menschenseele, alles ist nur ein Spiel im Kreise der Natur, die als eine von den Kräften der Allseele, in den niederen Sphären, der wandelbaren Welt, ihr Wesen treibt und den ersten Zauberring des Lebens bildet. Aber nur bis zur Grenze des Himmels reicht ihre Macht, bis zur Mittelstufe d. h. bis zur Menschenstufe, die das Mittelglied zwischen der Niederreihe und der Hochreihe der Wesen bildet und deshalb vermöge des freien Willens gottähnlicher zu werden streben kann, oft aber auch von Gott entfremdeter unter das Tier herabsinkt.
Dass dem so sei, beweist das Band der Liebe.
Was ist Liebe?
Die Einen sagen: Liebe sei Zuneigung zu einer Person derselben Art.
Andere: Liebe sei ein übermächtiges Begehren nach einer ähnlichen Naturanlage im Körper oder einer Form, die uns in der Gattung ähnlich ist.
Die Dritten: Liebe sei die gewaltige Sehnsucht nach der Einswerdung.
Die Einswerdung ist das wahre Wesen der Liebe, sie ist etwas Seelenartiges und eine geistige Einwirkung. Nun zerfallen die Seelen in drei Arten:
1. Die pflanzenartige begehrliche Seele; ihre Liebe geht auf Speise, Trank und Begattung. Wenn im Augenblick der Entstehung, der Mond, die Venus und Saturn vorherrschte, hat die Pflanzenseele Gewalt.
2. Die zornfähige tierische Seele. Ihre Liebe geht auf Überwindung, Rache, Herrschaft. Mars, Venus und Merkur walten bei der Entstehung vor und treiben die Seele des entstehenden Menschen dieser Richtung zu.
3. Die vernünftige Seele geht auf die Erwerbung von Erkenntnis und Vortrefflichkeit. Die Sonne, Merkur und Jupiter treiben der Seele dieser Richtung zu. Nur bei der dritten Richtung ist die Liebe Einswerdung. Denn die Einswerdung ist die spezielle Eigenschaft der Geistesdinge und der Seelenzustände, wogegen bei den körperlichen Dingen keine Einswerdung, sondern nur eine Nachbarschaft, eine Vermischung und Berührung, aber nichts anderes möglich ist.
Es gehört zum Wesen der Seele, dass sie bei der Darstellung ihrer Werke und Charaktere, der Mischung des Leibes und Körperglieder Rechnung trägt, denn die Glieder sind für die Seele, wie Werkzeug und Ausrüstung für den Werkmeister, da er durch sie seine Werke schafft.
Aus diesem Grund verstärkt sich im Lauf der Tage die Liebe und Zuneigung zwischen den Liebenden, sie wächst und nimmt zu.
Bei einer jeden anderen Sehnsucht, tritt nach der Erreichung des Ziels Überdruss und Trennung ein, nur bei der Liebe zu Gott und dem Nahen zu ihm, tritt die Mehrung derselben ein.
Denn die Anschauung Gottes ist über alle körperliche Eigenschaft erhaben, sie ist eine Anschauung von Licht durch Licht.
Gott ist das Licht der Himmel und der Erde. Sein Licht ist wie eine Blende, darin ist eine Leuchte und diese in einem Glas. Das Glas scheint dann wie ein leuchtender Stern. Sie wird entzündet vom Öl eines gesegneten Baums.
– Sure 24:35
Warum wurde die Liebe zum Körper in die Seele gelegt?
Sie sehnt sich den verschiedenen Geliebten zu, um von den leiblichen Dingen zu den geistigen, vom Schmuck des Leibes zum Schmuck des Geistes zu gelangen. Die Seele soll durch die Liebe zur Erkenntnis ihrer Substanz, zur Erhabenheit ihrer Grundelemente, zur Schönheit ihrer Welt und Heimat hingelangen. Alles Schöne, jeder Schmuck ist eben nur Färbung und Zeichnung ähnlich dem, was die Allseele dem Urstoff einzeichnete und womit sie die Körperfläche schmückte, damit, wenn die Teilseelen darauf blickten sie sich danach sehnen.
Wenn dann auch die Bezeugung der Schönheit durch die Sinne aufhört, so bleiben die dem Wesen der Seele eingeprägten Grundzüge und Formen in den Teilseelen als reine, geistige und begehrte, mit ihnen zu Eins gewordene Formen. Nimmer ist Trennung und Änderung dann zu fürchten, wie ja auch stets das Bild des Geliebten rein und klar der Seele des Liebenden verbleibt, wenn auch die Schönheit desselben längst geschwunden ist. Der Schöpfer ist der Urgeliebte. Der Allhimmel kreist in Sehnsucht nach dem Schöpfer, ferner aber aus Liebe (Neigung) ewig zu bestehen und schließlich aus Freude an dem vollkommensten Endziel. Die Allseele treibt die Sphären und lässt die Sterne laufen in ihrer Sehnsucht, die Schönheiten und die Vorzüge in der Welt der Geister zu schauen.
Alle diese Schönheiten und Vorzüge kommen nur vom Erguss des Schöpfers, von der Ausstrahlung seines Lichts auf die Allvernunft, von dieser auf die Allseele und von dieser auf die Urmaterie.
Das sind nun die Formen, welche die Teilseelen in der Körperwelt an den Substanzen der Individuen und Körper, von der umgebenden Mondsphäre bis zum Erdmittelpunkt hin sehen.
Diese Lichter und Schönheiten dringen vom Anfang bis zum Ende, so wie die Lichtstrahlen in der Vollmondnacht, vom Körper des Mondes ausgehen. Sie kommen dem
Mond von der Sonne her zu. Das Licht der Sonne und der Sterne aber rührt von den Strahlen der Allseele her, die Strahlen, welche auf die Allseele fallen, kommen von der Allvernunft, die Strahlen aber, welche auf die Allvernunft fallen, rühren vom Erguss des Schöpfers und seinen Strahlen her. Hierdurch ist jener Ausspruch erklärt, dass sich alles Vorhandene sehne nach Gott als dem Urgeliebten, dass alles ihm zustrebe, da in ihm die Existenz, der Bestand und die Vollendung allen Seins beruht.