Der schwarze König der Dschinn - ewigeweisheit.de
Der schwarze König der Dschinn: Miniatur im Manuskript Kitab Al-Bulhan, einer Abhandlung über Astrologie und Geomantie aus dem 14. Jahrhundert.

Die Dschinn: Unsere gespenstischen Zeitgenossen

Trotz dass der Islam eine monotheistische Religion ist, scheinen Anschauungen aus einem vor-islamischen, alt-arabischen Animismus in den Glauben übernommen worden zu sein. Dazu etwa zählt auch der Glaube an die »Dschinn«, einer Form besonderer Ahnengeister, auch bekannt als »Genien«.

Ihrem Wesen nach sind die Dschinn halb-irdisch, halb-himmlisch. Die islamische Überlieferung beschreibt sie als Reste einer früheren, jedoch untergegangenen Schöpfung der Welt, eine Vorstellung, die auch Juden oder Christen nicht fremd sein dürfte.

Muslime aber sehen in den Dschinn gar ein Volk, dass bis heute neben der Menschheit auf unserem Planeten lebt. Für die Araber zählen die Dschinn und die Menschen sogar zum selben Volk, so als ob sie als »zwei Gemeinschaften« nebeneinander lebten.

Engel und Dschinn

Während die Engel aus einer Art »Geistigkeit« hervorgingen, setzt sich die Substanz der Dschinn zusammen aus einem flammenartigen Äther, der sich jedoch, wie auch beim Engelwesen, als anthropomorphe Form in Erscheinung treten kann. Im Koran lesen wir in Sure 55 Vers 15 dazu:

Und er (Allah) hat die Dschinn aus einer unruhigen Feuerflamme erschaffen.

Dabei aber stehen beide, Engel und Dschinn, den intellektuellen Fähigkeiten des Menschen nach. Darauf verweist die berühmte koranische Überlieferung vom Sturz des »Herrn der Dschinn«, den Muslime als »Iblis« kennen, ein Name, dessen Ursprung vermutlich im alt-griechischen »Diabolos« liegt, dem »Durcheinanderwerfer«, dem Teufel. Iblis jedoch nimmt im Islam lediglich die Rolle eines Feindes der Menschen ein und ist damit im Gegensatz zur christlichen Bedeutung des Teufels, kein Gegenspieler Gottes.

Und wir haben euch (die Menschen) ja erschaffen. Hierauf haben wir euch gestaltet. Hierauf haben wir zu den Engeln gesagt: Werft euch nieder vor Adam! Da warfen sie sich nieder, außer Iblis. Er gehörte nicht zu denjenigen, die sich niederwarfen.
Er (Allah) sprach: Was hindert dich, dass du dich niederwirfst, wie ich geboten habe?
Er sprach: Ich bin besser als er (Adam). Du hast mich aus Feuerflammen erschaffen, doch ihn hast du erschaffen aus Lehm.
Er sprach: Hinab mit dir von hier; so ist nicht für dich, dass du hochmütig bist, hier hochmütig zu sein. Dann tritt heraus; du bist wahrlich einer der Gestürzten.
Er sprach: Gewähre mir (Iblis) Aufschub bis zu dem Tage, da sie abberufen werden.
Er sprach: Dir sei Aufschub gewährt.
Er sprach: So dafür, dass du mich hast abirren lassen, bleibe ich gewiss auf deinem zielgerichteten Pfad sitzen.
Daraufhin werde ich sie gewiss überkommen von vorn und von hinten, von ihrer Rechten und von ihrer Linken. Und Du wirst die meisten von ihnen undankbar finden.
Er sprach: Hinaus mit dir, Verachteter, Verstoßener. Wahrlich, wer dir von ihnen folgt, von denen fülle ich gesamt Dschahannam (die Hölle).
O Adam, ruhe du mit deiner Partnerin in dem Garten und esst beide, wovon ihr gewollt habt, und nähert euch nicht diesem Baum, dann seid ihr unter den Unterdrückern.
Da flüsterte ihnen der Teufel (also Iblis) ein, um ihnen offen zu zeigen, was ihnen von ihrer Blöße verborgen war. Und er sagte: Euer Herr hat euch diesen Baum nur verboten, damit ihr nicht Engel werdet oder zu den Ewiglebenden gehört.

– Sure 7:11-20

Im Islam sind die Engel ihren Sitten gemäß dem Menschen überlegen, während die Dschinn in ihrer Kunstfertigkeit dem Menschen überlegen sind. Letztere aber sind Wesen einer vergangenen Zeit unseres Planeten. Manche sagen, sie stammten aus der Zeit der Alten Polaris, einem mythischen, einst auf dem Nordpol gelegenen Kontinent, wo sich eine himmlische Zivilisation aus weiter Ferne niederzulassen begann.

"Wolken-Dschinn" in der Nähe von Dahab (Sinai, Ägypten) - ewigeweisheit.de
Eine Wolkenform am Himmel in der Wüste des Süd-Sinai (Ägypten). Dieses Gebilde fotografierte ich 2010, bei einer Wüstenwanderung unweit der Stadt Dahab. Es erscheint fast unwirklich, dass diese Figur als solche, dort tatsächlich zu sehen war. Doch sie ist echt, auch wenn man auf den ersten Blick glauben könnte, es wäre eine computerbearbeitete Grafik. Die Sinai-Halbinsel ist magisch. Hier bildeten sich anscheinend auch die 72 Heiligen Namen der Genien (Dschinn).

Man könnte die Dschinn als gespensterartige Wesen bezeichnen. Bei einem Besuch des Sinai erfuhr ich in der Wüste von befreundeten Beduinen, dass sie durchaus wissen, dort nicht alleine zu sein und sich der dauernden Gegenwart der Dschinn gewahr sind.

Göttin Lilith

Besonders die alt-orientalische weibliche Dämonengottheit Lilith wurde schon des Öfteren mit solch Wesenheiten wie den Dschinn (oder eben den Genien) in alt-abrahamitischen Lehren in Zusammenhang gebracht. Da ist sie eine Gestalt die in der Wüste lebend, jedem dem sie erscheint, das Leben durch ihre grundsätzliche Bosheit erschwert.

Die Schrift vom »Alphabet des Ben Sira« (aus dem 9. Jahrhundert, unbekannter Verfasser) beschreibt Lilith als »erste Eva«, die sich als solche jedoch weigerte, sich Adam unterzuordnen und sich von feurigen Flügeln getragen in die Wüste begab. In Hinblick auf die im Islam, oben erwähnte Gemeinschaft der Dschinn und der Menschen, ist das ein nicht unbedeutender Aspekt, der hier noch zu erwähnen lohnte.

Muslime sagen, dass die Dschinn uns sehen können, sie uns Menschen aber unsichtbar bleiben. Das ist eine Vorstellung die den Menschen ja immer schon begleitet, dass etwas neben (oder in?) ihm existiert, das unsichtbar ist. Doch damit einher geht auch der Glaube, dass diese Wesen Einfluss auf die Befindlichkeit eines Menschen haben könnten, so dass im Orient durchaus der Glaube verbreitet ist, dass Menschen mit psychischen Störungen in Wirklichkeit von Dschinn besessen sind.

Auschnitt einer Miniatur aus dem Manṭiq Al-Tayr, »Die Konferenz der Vögel« von Fariddudin Attar (1494) - ewigeweisheit.de
Auschnitt einer Miniatur aus dem Manṭiq Al-Tayr, »Die Konferenz der Vögel« von Fariddudin Attar (1494).

Die 72. Sure des Koran

Mindestens 29 Mal fällt in den über 6.000 Versen des Koran der Name »Dschinn«. Kein Zufall, wurde der islamische Prophet Mohammed (as) ja von Allah nicht nur zu den Menschen gesandt, sondern als solcher auch zu den Dschinn.

Den Titel »Dschinn« trägt im Koran das 72. Kapitel. Wie die Menschen hat Gott auch die Dschinn erschaffen, damit sie ihn aus freiem Willen anbeten sollen. Daraus folgt, dass sie sowohl zu Gutem als auch zu Bösem fähig sind. Aus diesem Grund aber sind sie wie auch die Menschen vernunftbegabte Wesen, die einer volksähnlichen Gemeinschaft angehören.

Anders jedoch, als die zuvor angedeutete, eher volkstümliche Überlieferung, können die Dschinn den Menschen weder schaden noch nützen, was im deutlichem Gegensatz zu den Dämonen und Teufeln in der jüdisch-christlichen Tradition steht.

Trotz einiger übermenschlicher Kräfte nehmen die Dschinn im Koran keine grundlegend andere Stellung ein, als der Mensch, als ein von Gott geschaffenes Wesen. Denn wie die Menschen haben auch die Dschinn kein Wissen über die Zukunft. Auch sind sie, wie der Mensch, Beschränkungen unterworfen, wenn es um magisches oder okkultes Wissen geht. So also müssen sie sich auf die Gesandten verlassen, bis auch ihre Seelen am Tag der Endzeit zur Rechenschaft gezogen werden.

Ganz gleich jedoch, ob es Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und Dschinn gibt, bleiben im Islam die Menschen den Dschinn immer überlegen. Denn die Menschen sind diejenigen, die Wissen schaffen, was die Dschinn laut Überlieferung nicht tun.

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