Vor etwa 40.000 Jahren verschwanden die wilden Neanderthaler. Sie waren ganz anders geartete Menschen, als der Homo Sapiens, der schon während ihrer Zeit lebte, jedoch deutlich höher entwickelt war. Er ist unser Vorfahre. Dem Homo Sapiens schreibt man die Wandmalereien zu, die man heute noch bewundern kann, in Höhlen Frankreichs oder Spaniens. Doch die Menschen stellten damals auch kleine Figuren her, aus Stein, Elfenbein oder Knochen. Sie stellten aber ausschließlich Frauenkörper dar und besaßen keine Füße, dafür aber ausgeprägt weibliche Züge – man denke an etwa 25.000 Jahre alte Venus von Willendorf (siehe Abb.). Ihre spitz nach unten verlaufende Form hatte einen Zweck: die Priesterinnen steckten sie in den kleinen Hausschreinen vor sich in die Erde.
Männliche Figuren wurden in dieser Zeit ausschließlich in Höhlengemälden abgebildet. Sie waren im Gegensatz zu den Venus-Figuren, die ausschließlich nackt dargestellt wurden, stets bekleidet und trugen Waffen. Die Frau benötigte in den alten Darstellungen aber gar keine solchen Utensilien, wie jene der Männer in den gemalten Jagdszenen auf Höhlenwänden. Die Männerfiguren ähneln in Tracht und Körperhaltung den Schamanen Nordasiens oder Nordamerikas.
Die Mutter betrachtete man an sich schon unmittelbar mythisch, denn alles was diese „Venus-Frau“ in ihrer Erscheinung berührte, wurde verzaubert.
Der Vater ist verantwortlich für die Einweihung in die gesellschaftliche Rolle – sowohl für Jungen, wie für Mädchen. Den männlichen Kindern gibt er ein Vorbild. Er erweckt aber auch in der Frau ihre gesellschaftliche Rolle zum Mann, verkörpert er für sie doch die erste, ausschlaggebende Erfahrung mit dem männlichen Geschlecht.
Die Figuren der steinzeitlichen Venus nun, wurden immer in der direkten Umgebung häuslicher Feuerstelle gefunden, während Männerfiguren im dunklen Innern der Höhlentempel, zwischen großen Tieren (etwa Büffel, Bison) zu sehen waren. Ohne Zweifel sind diese Höhlenbilder Symbole, die in Einweihungsriten den Initanden gezeigt wurden.
Ebenso geheimnisvoll muss es den Alten vorgekommen sein, als sie den Zusammenhang von Menstruation und Mondzyklus erkannten. Die Männer aber hatten sich ihre besonderen Kräfte erwerben müssen. Zu damaliger Zeit spielte der Mann nur eine begrenzte gesellschaftliche Rolle.
Auch heute noch mögen Kleinkinder ihre Mutter in den ersten drei Lebensjahren als Naturmacht erfahren, währen ihnen der Vater als Gewalt der Gesellschaft erscheint. Auch wenn die Mutter das Kind zur Welt bringt und es ernährt, kann sie in der kindlichen Phantasie, durchaus als verschlingende Mutter erscheinen, die sich ihre Leibesfrucht einzuverleiben droht.
Wandmalerei in der Höhle Los Caballos (Spanien).
Sicher hat sich an diesen archaischen Zügen von Frau und Mann, von Vater und Mutter, heute manches geändert. Die Geschlechterrollen in den Gesellschaften der Gegenwart, sind eben nicht jene der Urzeit. So sollte auch unsere Idealvorstellungen von Mutter- und Vaterrollen, kein völlig statisches Gebilde sein. Eher unterliegen die Rollenverhalten von Eltern zu Kindern einem Prozess, wo jeder sein eigenes initiierendes und doch kooperierendes Zentrum ist.
Natürlich ist die Kenntnis der Tradition relevant, doch gleichzeitig sollten Kinder nicht einfach nur die Schemata der Vergangenheit übernehmen, sondern sich darin ausdrücken, mit ihren eigenen, schöpferischen Fähigkeiten. So können sie als lebendige Zeugen zu einer Vorwärtsbewegung der Menschheit beitragen.