Der Maler und der Käufer (1565). Bei dieser Zeichnung von Pieter Brueghel dem Älteren soll es sich um ein Selbstporträt des Malers handeln - ewigeweisheit.de

Die Illusion vom Ich und das Erkennen des Selbst

Früher dachte ich immer, dass wenn ich denke, dass das dem entspricht was die Psychologie die “Ich-Persönlichkeit” nennt. Doch wie ich mich so die vergangenen Jahre beobachten konnte, wurde mir immer klarer: Wenn man glaubt immer das selbe Ich zu sein, täuscht man sich.

Ja eigentlich täuscht man sich nicht, sondern dieses “Ich” täuscht einen. Wieso? Da es ständig wechselt. Unzählige Gedanken sausen uns täglich durch den Kopf und alle befördern bestimmte Themen. Dabei fällt uns oft gar nicht auf, wie viele dieser Gedanken sich entweder wiederholen oder aber wir glauben, wir selbst seien diese Gedanken.

Wenn wir “Ich” sagen, “Ich denke …”, “Ich will …”, “Ich will nicht mehr …” und so weiter, kommt da immer ein anderer Persönlichkeits-Anteil, also ein anderes “Ich” zu Wort und übernimmt die Führung, wenn auch nur für einige Augenblicke.

Das Problem bei dieser Sache aber ist leider, dass diese unzähligen Ichs ganz verantwortungslos dabei vorgehen. Denn, und ich meine das so wie ich es hier schreibe, jedes dieser Ichs sind Ausgeburten an Egoismen. Wenn ein Ich glaubt sich den Raum im Bewusstsein nun einfach mal für sich zu blockieren, um Gedanken zu hegen, die vielleicht sehr negativ sind, schert es sich nicht darum was mit den anderen Ichs dabei vor sich geht. Doch sie, all die anderen Ich-Anteile unserer Persönlichkeit müssen das dann ausbaden.

Mit Schizophrenie hat das gar nichts zu tun. Jeder Mensch identifiziert sich mit diesen Anteilen seiner Gedankenmuster oder Gefühlsempfindungen. Sie aber bewirken eine Schwächung seines Bewusstseins, da er sich nie bewusst ist, wer sich in ihm da gerade als “Ich” aufspielt.

Die Diener im Haus des menschlichen Bewusstseins

Es ist dabei aber so, dass eigentlich jedes dieser Ich-Fragmente eine besondere Aufgabe zu erfüllen hat. Sie alle befinden sich in einem, man könnte es sich als ein im Geist bestehendes Haus bezeichnen. Es gibt darin viele Räume. Und jeder Raum ist eigentlich für genau einen Anteil des Ichs vorgesehen, damit er von dort aus seine Aufgaben verrichten kann. Und diese Metapher ist bereits sehr alt. Schon die christlichen Evangelien sprechen darüber.

In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.
– Johannes 14:1

Nur leider ist der heutige Mensch sehr weit von einer Bewusstheit dafür entfernt, da diese “Räumlichkeiten” unzählige Ich bewohnen, die aus einer Identifikation mit äußeren Eindrücken in die bewusst erlebte Welt gelangten, doch eigentlich gar nichts mit einem zu tun haben. Viele davon stammen aus der Vergangenheit und gleichen weniger einem Ich-Anteil, als vielmehr einer Rolle, einer Rolle die ein Schauspieler auf einer Theaterbühne präsentiert.

Es sind aber durchaus hunderte solcher Schauspieler, die dann einem Menschen in sein Inneres suggerieren, dass sie ihm entsprächen und er dann eben meint, dass die durch sie ausgelösten Assoziationen und Gedanken er selbst sei, ja sogar seinem wahren Selbst entsprächen.
Doch dieses wahre Selbst ist gänzlich verdunkelt durch die Schatten all der vielen Ichs in einem Menschen, die das Licht seiner eigentlichen Aufgabe in dieser Welt verstellen und dabei verdunkeln. Je finsterer solch Augenblicke dann erscheinen, desto mehr hat ein Mensch mit solchen Ichs zu arbeiten und manchmal werden sie zur Plage.

Und immer sind diese Ichs Teile der eigenen Vergangenheit, die ihre Rolle sehr gut geübt haben, über all die vielen Jahre. Viele dieser Ichs stammen vor allem aus der Kindheit und Jugend und tun einfach, echt kindisch ihre Streiche. Und das raubt einem Menschen sehr viel Energie.

Was aber soll man da tun?

Erste Voraussetzung hier eine Veränderung einzuleiten wäre zunächst einmal die Tatsache als wahr anzunehmen, dass immer wenn man in Gedanken “Ich” sagt, immer ein anderes Ich für sich diesen Titel beansprucht.
Als zweiter Schritt dann kann man erkennen, welche Rolle dieses Ich einnimmt. Dabei muss es ja gar keine negative sein, sondern es kann durchaus eine sinnvolle Aufgabe erfüllen. Hierfür aber muss sich ein Mensch seiner vielen Ichs bewusst geworden sein. Denn dadurch erst werden sich Türen und Fenster in den allegorischen Wohnungen und Zimmern (seines “Bewusstseins-Hauses) öffnen, so dass seine darin unwissend eingesperrten und getrennt von einander lebenden Ichs sich begegnen, kennenlernen und zusammenzuwirken beginnen.
Von diesem Ausgangspunkt aus kann jedes dieser Ichs dann seine Aufgaben erfüllen, ohne dass ihm dabei ein anderes, unbewusstes Ich in die Quere kommt.

Ein weiterer Schritt bestünde dann darin, dass mehrere Ichs ihren Ausgangspunkt und ihre von dort aus zu erledigende Aufgabe erkannt haben. Sie können sich dann zusammentun. Und wenn das für einige Zeit aufrecht erhalten bleibt (auf das wirkliche Leben eines Menschen übertragen wären das zum Beispiel bestimmte, ordnende Tätigkeiten und ein regelmäßiger spiritueller Ritus), kann das “Haus” (also das menschliche Bewusstsein) für die Ankunft des wirklichen Haushälters (eines ausgeglichenen Selbstbewusstseins) vorbereitet werden. Und dieser Haushälter wird seinerseits dann die Ankunft des Hausherrn (seiner Erkenntnis vom universellen Wesen seines Daseins in der Welt, also seines Selbst) vorbereiten.

Je eingeengter also ein Mensch sich erlebt, desto unbewusster ist er sich all der unzähligen Ich-Anteile, doch umso stärker verspürt er den Wunsch eine Möglichkeit zu finden, sich daraus zu befreien.

Um diese Möglichkeit zu realisieren, muss er bereit sein, für seine Befreiung alles zu opfern und alles zu wagen – um der zu werden, der er wirklich ist: Ein In-Dividuum, ein Mensch der “ungeteilt” ganz geworden ist, mit sich selbst einig.

 

 

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