Helene Schjerfbeck: Das Rothaarige Mädchen (1915) - ewigeweisheit.de
Helene Schjerfbeck: Das Rothaarige Mädchen (1915)

Wer hat noch nie geliebt?

Was sagen die Weisen und die Philosophen über die Liebe? Was meinen sie über ihr Entstehen und die Ursachen, die notwendigerweise zu Liebe führen? Denn Liebe ist doch eine Realität in unserer Welt. In jede Seele ist Liebe eingepflanzt. Und solange die Welt besteht, wird auch die Liebe bestehen.

Manchen der alten Gelehrten war die Liebe aber auch ein Laster. Sie führten nur ihre schlechten Eigenschaften an. Andere aber behaupteten, die Liebe sei der Seele die größte Tugend. Sie hebten ihre guten Eigenschaften hervor, ihre Formulierungen zur Beschreibung der Liebe schmückten sie aus.

Die Unterscheidung zwischen lobenswerter und tadelnswerter Liebe, geht zurück auf den Philosophen Platon (428–347 v. Chr.). Ihm ging es vielleicht weniger um die Geheimnisse, die die Liebe verbirgt. Mit dem Wort Liebe assoziierte er, mit all ihren positiven und negativen Auswirkungen, auch eine seelische Krankheit. Denn zwischen dem Genuss der Liebe und des seelischen Leids, besteht offensichtlich eine Verbindung. Manchmal nämlich treibt die Liebe den Menschen von der Begierde in den Wahnsinn.

Und jeder der schon einmal geliebt hat, weiß, dass Liebe auch zu echtem Leiden werden kann. Körperliche und emotionale Liebe können als Leidenschaft zwar angenehm empfunden werden, doch eigentlich scheinen sie sich nach Krankheit zu sehnen, denn welche Liebe dauert ewig?

Man schreibt der Liebe darum auch dämonische Eigenschaften zu, die die Seele in Bewegung halten. Manchmal wiegt sie den Liebenden gemächlich, ein andermal ist ihm schwindelig.

Er erquickt mich mit Blumen und labt mich mit Äpfeln; denn ich bin krank vor Liebe.

– Hohelied Salomos 2:5

Was man in alter Zeit als Liebeskrankheit bezeichnete, war eine Art Steigerung der natürlichen Sehnsucht der Seele nach allen schönen Dingen.

Der persische Arzt und Alchemist Avicenna (980–1037) empfiehlt dem Liebeskranken, seine Vereinigung mit dem Geliebten. Wer aber ist das? Mit ihm soll er sich selbst von seinen Leiden heilen. Aber eigentlich gibt es in der Welt der Seele gar keinen Raum, für irgend ein anderes Streben, außer dem nach dem Geliebten. Und dieser Geliebte ist Gott. Die Liebe denkt unentwegt über ihn nach und alles was durch sein Wirken besteht.

Was aber ist, wenn darum die Sehnsüchte der Seele in Wirklichkeit eine Art göttlicher Wahn sind? Das Herz ist erregt und die Sinne sind verwirrt.

Vielleicht ja ist eine Seele leer und strebt sich durch Liebe zu erfüllen! Daher aber sprachen manche wieder davon, dass die Liebe eine Tat der Untätigen sei, der leeren Gemüter, jener, die eigentlich nichts (Besseres) zu tun haben.

Die Liebe ist kein Wahn

Nur weil man kein Heilmittel gegen die Liebesleiden kennt, bedeutet das doch nicht, dass es sich bei der Liebe um einen Wahn oder gar eine Geisteskrankheit handelt. Alle die das behaupten, tun das nur aus Unwissenheit. Sie haben nämlich keine Ahnung von den wahren Geheimnissen der Liebe. Sie sehen lediglich das, was einem Liebenden widerfährt: er magert ab, schläft kaum und sein Puls rast. Doch es ist keine Krankheit oder irgend ein göttlicher Taumel. Auch wenn Platon, so darüber an anderer Stelle sprach, wusste er doch, dass die Liebe eigentlich ein göttlicher Segen ist:

Unwahr ist jene Rede, welche behauptet, dass wenn ein Liebhaber da sei, man vielmehr dem Nichtliebenden seine Wünsche erfüllen müsse, weil nämlich jener wahnsinnig sei, dieser aber bei Sinnen. Denn wenn freilich ohne Einschränkung gölte, dass der Wahnsinn ein Übel ist, dann wäre dieses wohl gesprochen: nun aber entstehen uns die größten Güter aus einem Wahnsinn, der jedoch durch göttliche Gunst verliehen wird. Denn die Prophetin zu Delphi und die Priesterinnen zu Dodone haben im Wahnsinn vieles Gute in besonderen und öffentlichen Angelegenheiten unserer Hellas (Griechenland) zugewendet, bei Verstande aber kümmerliches oder gar nichts.

– Phaidros 244a

Liebesleidenschaft ist einfach ein Übermaß an Liebe. Man fühlt sich zu einer einzigen Person hemmungslos hingezogen. Alles andere schließt man aus.

Kein Mensch ist frei davon, denn niemand liebt etwas nur notwendigerweise oder liebt mal dies und dann wieder das. Wer das Gegenteil behauptet, hat wahrscheinlich noch nie geliebt.

 

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