Vielen Menschen fällt heute auf, wo in ihrer Kultur es mangelt. Ja, manche darunter fragen sich sogar, ob man von Kultur überhaupt noch sprechen kann. Und das Wort Kultur hat seinen Ursprung im lateinischen »Cultura«, dass eine Anpassung der Natur an die Bedürfnisse des Menschen bezeichnet. Doch als Teil der Natur, passte sich auch der Mensch dem an, als er zu siedeln und mit dem Ackerbau begann.
Es reicht dies also sehr weit zurück bis wahrscheinlich in eine Zeit nach der großen Weltkatastrophe, die die esoterische Tradition als die Sintflut bezeichnet und damit den Untergang der einstigen Welthochkultur der Atlanter. Manche behaupten gar, dass wir uns nun wieder an der Grenze zu einem so deutlichen Wandel befinden.
Ein wichtiger Beweggrund dafür rührt sicherlich von dem Umstand, dass sich heute viele unter uns vorfinden, in einer Art Verzweiflung darüber ob ihr Leben noch in Ordnung ist. Denn all die durch Technologie geschaffenen, angeblichen »Vereinfachungen« für das menschliche Leben, fallen ihnen zur Last, da sie die letzten freien Minuten ihres Tages absorbieren – denn sie wollen gepflegt werden, eingestellt, aktualisiert, ergänzt, geordnet, bedient, befragt, beantwortet, gespeichert, geladen, optimiert und so weiter.
Darum haben da viele unter uns große Sehnsüchte nach einer Einfachheit, nach einer klaren Richtung – in ihrem Alltag, in ihrem Umgang miteinander und letztendlich auch auf spiritueller Ebene. Nur leider reichen sehnsüchtige Wünsche dafür nicht weit. Denn um das Leben wieder angenehm einfach zu machen, bedarf eines Aufwands, da sich jemand dafür auf einen Pfad der Wahrheit begeben muss – einen Weg, wie ihn die spirituellen Traditionen der Welt vorgeben. Ganz gleich, ob man nach Fernost schaut und dort etwa der Tradition des Zen begegnet oder hier im Westen zum Beispiel dem Weg der Alten Druiden folgen will – ja, ganz gleich, ob es ein jedem bekannter Weg eines getauften Christen oder eines bekennenden Muslim ist: immer bedarf es einer absolut gewissen Ausübung der damit verbundenen Riten, Kontemplationsübungen (Meditation und Gebet) und Bräuche.
Und da bereits winken viele von jenen ab, die hier oben als jene bezeichnet wurden, die sich nach Einfachheit im Leben sehnen. Aus reiner Unkenntnis winken die meisten darum hier bereits ab, denn sie glauben, es müsse alles auf einmal erlernt sein, um dann erst seine positive, vereinfachende und damit beruhigende Wirkung entfalten zu können.
Bequemer erscheint es ihnen darum ihren Unglauben zu bekunden darüber, dass es ein höheres geistiges Prinzip sein soll, das auch noch in jedem von uns wirksam ist. Es aber in sich zu erkennen, bedeutet eben eine regelmäßige Praxis, oft auch ein sich Anvertrauen an jemanden, der solch einen Weg bereits geht. Wer aber ist dazu bereit? Sicher viele von Ihnen, die diesen Text gerade lesen. Die meisten aber verwirrt diese eben angesprochene Komplexität in unserer Welt der unzähligen Formen. Sie befürchten gar, sich in eine »Kompliziertheit« zu verstricken, verwechseln das Komplexe mit dem Komplizierten.
Wissenschaft
Gut möglich, dass viele immer noch dem Glauben anhaften, dass je mehr Möglichkeiten ihnen offen stehen, das für sie mehr Freiheit bedeute – rein materielle Vielfalt, wie wir sie überall vorfinden, führt jedoch eher zu Verwirrung als zu befreien.
Wie aber kam es dazu und was führte uns dazu, was viele heute ja als eigentliche Krise unserer Gegenwart wahrnehmen?
War es die Geburt der modernen Wissenschaften mit all ihren Regeln, Formeln und Wahrheitsprüfungen, die uns in dieses riesige Wirrwarr der unzähligen Möglichkeiten manövrierte?
Was aber, wenn wahre Wissenschaft viel mehr als das ist, als die meisten heute darunter verstehen?
Was, wenn Physik seiner ursprünglichen Wortbedeutung nach nichts anderes bedeutet als eine »Wissenschaft von der Natur« – ohne jede Einschränkung?
Dann wohl wäre Wissenschaft die Kenntnis vom Umgang mit den Gesetzen des »Werdens«, wo »Natur« und »Werden« untrennbare Größen aller Entwicklung sind – in der Welt aller Lebensreiche (Mineralien, Pflanzen, Tiere, Menschen). Es wäre solch Wissenschaft von der Natur, dann eine Geistesdisziplin, die nicht etwa versucht durch einen analytischen, zerlegenden Verstand, sich in seinen unzähligen Facetten immer mehr zu spezialisieren, als vielmehr die Fähigkeit in einem Menschen zu entwickeln, eine ganzheitliche Sicht auf sein Leben und das Leben im Allgemeinen zu richten – und damit zur Einfachheit zurückzugelangen, zu eben dem, was »Kultur« bedeutet: sich Einlassen auf das Schöne des Einfachen im Gemeinsamen. Nur leider sind wir davon schon ziemlich weit entfernt, da immer alles spezialisierter wird.
Was aber Spezialisierung bedeutet, ist doch immer eine Verengung des Sichtfeldes. Natürlich lässt sich in eine Richtung hin sehr viel herausfinden. Und es nimmt da auch kein Ende an Erkenntnissen. Von dort aus aber führt der Weg eines Menschen kaum noch direkt in andere Lebensbereiche, ohne dass es einen genauen »speziellen« Wegweiser dafür gibt:
- Wie lerne ich kochen?
- Wie lerne ich mich gesund zu ernähren?
- Wie lerne ich meinen Körper besser kennen, um mir zuerst auch mal selbst ein Arzt zu sein?
- Wie lerne ich zu meditieren?
- Wie lerne ich meine Schattenseiten zu entlarven und damit einen Großteil meiner verschütteten Potentiale zu entfalten?
Spezialisierung liefert darauf keine Antwort. Vielmehr aber ihr Gegenteil. Und das ist der Begriff der »Physik«, den wir oben nur anscheinend neu einführten als das Wissen von den grundlegenden Besonderheiten der Natur: Eine universale Wissenschaft, die gar keiner Fachwissenschaften bedarf, da sie so einfach ist, dass sie wegen ihrer Verständlichkeit und Eindeutigkeit jedem zugänglich bleibt. Klar, natürlich könnte man versuchen, alle spezialisierten Fachgebiete miteinander wieder unter einem Namen zu einen und unter dem Oberbegriff »Physik« zu sammeln. Doch nie wäre damit das erreicht, was hier als eine »ursprüngliche Physik« gemeint ist. Nicht ist sie nämlich eine Synthese, als eine »in sich schlüssige Einheit«, die keiner anderen Hinzufügungen bedarf. Damit ist Physik doch etwas ganz und gar Geistiges, Spirituelles und damit Göttliches.
Was hinter der Natur der Dinge liegt
In dieser Erkenntnis kommt nun der Begriff der Metaphysik ins Spiel. Alle anderen »Physiken« sind von ihr abhängig, resultieren aus ihr, wurden und werden auch heute noch aus ihr geboren, und zwar in die natürliche Welt, wo ihre Anwendbarkeit gilt. Was uns als solch Wissenschaft in diesem Leben gegeben ist, ist eine Spiegelung der höheren »Ursätze« (Urgesetzmässigkeiten) der Metaphysik.
Ein Aristoteles (384-322 v. Chr.) und seine Zeitgenossen verwendeten beide Begriffe, »Physik« und »Metaphysik« synonym, um damit immer hinzuweisen auf die Ganzheit allen Seins in der Welt. Doch dies sollte nicht so bleiben. Wichtigste Beispiele für diesen Bruch und die ersten Spaltungen der ursprünglichen Physik der Natur war eben die Teilung dessen, was sich aus der Alchemie als die moderne Chemie im 18. Jahrhundert auslöste, wie es ebenso durch die sogenannte Astronomie aus der ursprünglichen Astrologie geschah. In beiden Fällen ging es also nicht mehr um die Lehre von den inneren Ursachen des Seins im Mikrokosmos (Alchemie) und Makrokosmos (Astrologie) als nun um ihre »Vergesetzlichung« (wie eben im zusammengesetzten Wort »Astronomie«, aus ástron »Stern« und nómos »Gesetz«). Und diese Gesetze versuchten Belege zu finden mittels Maßen, mittels Statistiken und Wahrscheinlichkeitsrechnungen – als eine Erfahrungswissenschaft nach Maß der messbaren Welt.
In der Chemie ist das Angedeutete noch bezeichnender: Denn die Alchemie, aus der die moderne Chemie ja hervorging, war ihrem Wesen nach eine Wissenschaft von kosmologischem Range und entsprechend ihres ersten Axioms der Entsprechung alles Oberen zum Unteren (Stichwort: Tabula Smaragdina) nicht nur auf die materielle Welt, sondern auf eigentlich alles im Kosmos, besonders auf den Menschen anwendbar. Was die Alchemisten wussten, war vielmehr als »nur« Blei in Gold zu verwandeln. Ihr Bestreben lag in der ausdrücklichen Absicht begründet, eine Überführung in den Bereich des rein Geistigen zu gestatten (rein-geistig meint etwas, dass existiert ohne das darüber gedacht werden könnte oder müsste). Das verlieh ihren Lehren, wie auch jenen der Astrologen, sinnbildlichen Wert und damit eine weit höhere Bedeutung als das was sich »nur« messen lässt.
So sind also die alten Wissenschaften der Alchemie und Astrologie nichts, dass man aus diesem und jenem zusammenfügt zu etwas Brauchbarem, als vielmehr ein überliefertes Wissen, dass über die vielen Jahrtausende seiner Überlieferung sich immer weiter veredelte zu einem perfekt geschliffenen Diamanten.
Es ist eben so, dass die überlieferten Wissenschaften ermöglichen, durch ihre Lehren alle Ordnungen der Wirklichkeit miteinander zu verbinden und das so, dass wir in ihrem Erlernen eine darin wirkende, alles umfassende Einheit des Seins erfahren. Andererseits sind sie für sehr viele Menschen eine Vorbereitung auf das, was man als »Höhere Erkenntnis« bezeichnen kann, zu denen eben die überlieferten Wissenschaften einen begehbaren Pfad bilden, der durch die Hierarchien vom diesseitig Irdischen bis ins jenseitig Himmlische führen – bis in den Seinsbereich, den wir oben anführen als das »rein Geistige«.
Was der Begriff »Wissenschaft« ursprünglich meinte war die Kenntnis von einem »geweihten Wissen«. Und dieses Wissen bestand – und besteht den davon Wissenden auch heute noch – aus »Ursätzen« vollkommenster Einfachheit, wie eben etwa das, was die Tabula Smaradina in ihren 14 Versen sagt. Die Alten wussten, dass wenn die Wissenschaften auf Basis solcherart ursprünglicher Lehrsätze gebildet sind, es dann erst zur Stiftung von Einrichtungen zu ihrer lehrhaften Verbreitung kommen darf. Sie sind dann gewissermaßen »Erläuterungen« dieser reinen Lehre, um sie manchen menschlichen Geistern leichter zugänglich zu machen.
Bei alle dem Gesagten jedoch steht fest: Was einst wie beschrieben geschah, lässt sich nicht rückgängig machen. Vielmehr stellt sich die Frage, wie wir wieder lernen können, zur Tradition im Leben zurückzufinden, zu etwas, das keine Einschränkung im Leben bedeutet, als sich aus ihr eine Einfachheit ableitet, aus der, vorausgesetzt man kennt die Tradition, sich alles weitere ergeben kann. Und was ist Tradition als etwas, dass sich über unzählige Generationen entwickelte. Heute haben wir das rechte Glück, sogar die Vereinigung verschiedener Traditionen entdecken zu können, zumindest aber ihre sagenhaften Ähnlichkeiten. Und das macht Tradition noch stärker, noch deutlicher, noch mehr einem klaren Weg folgend.