Der griechische Philosoph Pythagoras von Samos (570-510 v. Chr.) sah auf seinen Reisen nach Ägypten was andere nie zu Gesicht bekamen. Doch waren das weniger Sensationen, als das man ihm dort die Geheimnisse der hermetischen Philosophie enthüllte. Während eines langen Aufenthalts im Land der Pharaonen, weihten ihn die Priester des Thoth ein in die uralte Offenbarungslehre der Hermetik.
Das es sich bei Pythagoras um einen besonderen Menschen gehandelt hat, zeigt die Tatsache, dass die Überlieferungen seiner Anhänger und Schüler (Pythagoreer) zu der wohl wichtigsten Grundlage für andere europäische Philosophen werden sollte, vor allem für den Griechen Platon (428-347 v. Chr.).
Vielleicht hatte auch er einst zu Füßen ägyptischer Meister gesessen, um von ihnen die Weisheiten der Hermetik zu erfahren. Bis heute umrahmt sie die Fundamente aller Weisheitslehren und lässt sich damit auch festlegen als Ursprung aller Wissenschaften.
Die Arbeit des wohl wichtigsten Platon-Schülers Aristoteles (384-322 v. Chr.) sollte dann die Voraussetzungen für das spätere wissenschaftliche Denken im Westen prägen. Aristoteles war auch der Erzieher von Alexander dem Großen (356-323 v. Chr.), dem Gründer der ägyptischen Stadt Alexandria, die in der Antike für fast 700 Jahre als Zentrum aller Gelehrsamkeit berühmt war. Dort befand sich die bedeutendste Bibliothek der antiken Welt. Mehr als 400.000 Schriftrollen über die Weisheiten Griechenlands, Ägyptens, Palästinas, Babylons, Persiens und Indiens bewahrte man dort auf.
Womit die Gelehrten auf den weiten Eroberungszügen Alexanders in Berührung kamen, sollte zu dem verschmelzen, woraus die Weisheiten der »Westlichen Tradition der Philosophie« entstanden. Der alexandrinische Geist dieser alten Zeit beförderte hermetisches, neupythagoreisches und neuplatonisches Gedankengut, wie man es auch in den 42 Büchern des Hermes findet. Der Wissensschatz dieser alten Stadt wurde zu einem Statussymbol der ptolemäischen Könige Ägyptens, die dort zwischen 304 und 30 v. Chr. herrschten.
Schon vor Beginn der christlichen Zeitrechnung aber gab es in dieser Gegend auch viele Privatbibliotheken verschiedener esoterischer Schulen, die sich mit der Heiligen Wissenschaft der Hermetik befassten. Dazu zählen auch die Schriftrollen der Therapeuten – einer ägyptischen Sekte der sagenhaften Essener-Bruderschaft.
Hermetik in der Entstehungszeit des Islam
Im 7. Jahrhundert entstand eine neue Religion in Arabien die neue abrahamitische Religion des Islam. Mit ihrer schnellen Ausbreitung kam es zu einer ganz wunderbaren Entfaltung eines esoterischen Wissens, dass dabei aus dem Orient in den Westen kam. Zunächst in Westasien und Afrika, fand es später über Marokko seinen Weg ins spanische Europa (Andalusien, Cordoba, Granada). Die islamische Wissenschaft erreichte ihren Höhepunkt mit der Gründung des sogenannten »Hauses der Weisheit« – einer Akademie, die durch den Kalifen Al-Mamun (786-833) in Bagdad ins Leben gerufen wurde.
Als die Ritter des Templerordens im 11. Jahrhundert auf die neue religiöse Kultur des Islam stießen, machten sie sich mit seinem umfassenden wissenschaftlichen Gedankengut vertraut. Wegen ihres großen Einflusses der Templer (insbesondere auch als Gründer des europäischen Bankwesens) verbreitete sich das durch den Islam entstandene Wissensgut schließlich in ganz Europa. Diese besondere Stellung der islamischen Wissenschaften im Mittelalter, ist noch heute zu erkennen. Namen von Sternen wie Vega, Formalhaut, Algol oder Ras Algethi, so Bezeichnungen wie Alchemie, Algebra, Alkohol und Alkali, wie auch die Symbole unserer heutigen Ziffern sind arabisch-islamischen Ursprungs.
Diese Einflüsse inspirierten im Mittelalter viele Denker, woraus schließlich der Wunsch aufkam, die Grenzen alter, kirchlicher Dogmen und Glaubenszwänge mit Vernunft, Forscherdrang und Empirie zu überwinden. Dieser Forschergeist sollte in Europa bis in die Renaissance lebendig bleiben. Man gewann neue Inspirationen aus den alten Mythenschätzen der Magie, des Okkultismus und Hermetizismus. Dogmen die die Kirche untermauerten, gerieten immer mehr ins Wanken.
Das bedeutete aber nicht, dass christliche Glaubensvorstellungen von den Gelehrten der Hermetik etwa abgelehnt wurden. Vielmehr verschmolzen diese mit älterem, teils paganem Wissensgut, zu einer gemeinsamen spirituell-wissenschaftlichen Geistesströmung.
Islamische Hermetik in Ägypten und Persien
Für den ägyptische Naturmystiker und Sufi-Heiligen Dhul-Nun Al-Misri (796-859) war die hermetische Tradition der Alchemisten eine kosmologische Tradition göttlicher Offenbarung. Sein wissenschaftliches Streben stand im Einklang mit der Natur. Er gewann seine Erkenntnisse aus Gleichnissen, die er in seiner Umwelt wahrnahm, während andere versuchten so etwas in den heiligen Schriften zu finden.
Dhul-Nuns Gebete glichen wahrer Peosie, die dem koranischen Wort unbedingt treu blieben, doch gleichzeitig durch seine wundervollen Naturschilderungen etwa die Sufi-Mystiker Persiens inspirierte. Unter diesen mag sich auch Abdullah ibn Sina (980-1037) befunden haben, der berühmte Arzt, Alchemist, Philosoph und Dichter, der in der europäischen Gelehrtenwelt bekannt ist unter dem Namen »Avicenna«.
Avicenna entwickelte verschiedene alchemistische Verfahren, wie etwa die Herstellung ätherischer Öle und Pflanzenauszüge für medizinische Zwecke. Durch seine große Kenntnis westlicher und östlicher Weisheitslehren und der Naturwissenschaften, galt Avicenna als Brückenbauer zwischen Orient und Okzident. Seine »Hermetische Philosophie« hatte viele Gemeinsamkeiten mit aristotelischen Weltanschauungen. Darum wurden damals in Europa die Werke Aristoteles’ häufig gemeinsam mit den Schriften Avicennas herausgegeben.
Einer der in der Tradition Avicennas stand, war der persische Philosoph und Mystiker Schihab Al-Din Al-Suhrawardi (1154–1191), den man später den »Meister der Erleuchtung« nannte. Trotz das Suhrawardi in seinem Studium die Lehren Avicennas vollständig verinnerlicht hatte, kritisierte er an dessen Lehrgebäude, die gesamte Welt allein durch logische Schlussfolgerungen begreifen zu wollen. Doch da zu damaliger Zeit die aristotelisch geprägte Weltanschauung Avicennas, in der islamischen Gelehrtenwelt allgegenwärtig war, gelang ihm zunächst nicht, seinen Zeitgenossen den hohen Wert seiner eigenen hermetischen Philosophie zu vermitteln.
Suhrawardi beschrieb in seinem literarischen Werk ein immaterielles Licht (vergl. Genesis 1:3) in dem nichts manifest ist. Dieses Licht entfaltet sich über mehrere Stufen hinab, bis es sich in den dichtesten und dunkelsten Formen der Materie erhärtet (gewiss dem System der zehn Sefiroth der Kabbala ähnlich). Mit anderen Worten: in Suhrawardis Philosophie besteht das Universum mit all seinen Ebenen der Existenz, aus graduellen Schattierungen von Licht und Finsternis.
Außerdem unterteilte er die körperlichen Formen der irdischen und kosmischen Natur, gemäß ihres Vermögens und Unvermögens, göttliches Licht aufzunehmen. Für diejenigen Menschen die dieses Licht aufzunehmen vermochten, bildete es die Quelle wichtiger Erkenntnissse. Diese neue Art Einsichten zu gewinnen, ließen sich jedoch nur schwer mit den Lehren Avicennas vereinbaren.
Suhrawardi war einmal auf der Suche nach Antworten, die ihm aber niemand geben konnte! Doch eines Nachts erschien ihm im Traum Aristoteles, von dem er seine lang gesuchte Antwort bekam. Mit Hilfe dieser Traumvision schuf er die Grundlagen für seine Erkenntnistheorie der Erleuchtung. Er hatte erkannt, dass nur durch die Zusammenführung von göttlich inspirierter Intuition und wissenschaftlich-philosophischen Werkzeugen der Vernunft (entwickelt aus der Philosophie Aristoteles’), spirituelles Wissen für jeden Menschen verständlich gemacht werden kann.
Hermetik als Inspirationsquelle der Wissenschaften
Der durch die Sufis überlieferte Wissensschatz der Hermetik, übte großen Einfluss aus auf das im 17. Jahrhundert entstehende Rosenkreuzertum. Unter den ihm zugehörigen spirituellen Gemeinschaften begenete man damals auch solchen Persönlichkeiten wie Nikolaus Kopernikus (Astromon), Johannes Kepler (Astromon), Francis Bacon (Philosoph) und Isaac Newton (Philosoph und Physiker).
Isaac Newton übersetzte einen der wohl bedeutendsten Texte der Hermetik ins Englische: die Tabula Smaragdina (Smaragdtafel). Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass viele zeitgenössische Wissenschaftler gerne die Augen verschließen, wenn es um die okkultistisch-religiös geprägte Geschichte Newtons geht. Er war nämlich ein streng gläubiger Mensch und außerdem jemand, der so »ketzerische Wissenschaften« betrieb wie die Hermetik und Alchemie. Insbesondere im hermetischen Gedankengut fand er Wissen, das seinen Zeitgenossen unzugänglich blieb. Ohne die Erkenntnisse die er aus dem Hermetismus gewann, hätte er höhere Bereiche der Wissenschaften, wie zum Beispiel die Gravitationsgesetze oder die Gesetze der Optik, vielleicht niemals erklommen.
Hermetisches Denken war auch im Zeitalter der Aufklärung, als Werkzeug naturwissenschaftlicher Erkenntniswege unerlässlich. Die Beschreibungen der Natur hatten eben immer einen entsprechend hermetischen Sinngehalt. Selbst als Nikolaus Kopernikus sein heliozentrisches Weltsystem beschrieb, bediente er sich hermetischen Vokabulars.
In der Mitte von allen aber hat die Sonne ihren Thron. Denn wer möchte sie in diesem herrlichen Tempel als Leuchte an einen anderen oder gar besseren Ort stellen als dorthin, von wo aus sie das Ganze zugleich beleuchten kann? Nennen doch einige sie ganz passend die Leuchte der Welt, andere den Weltengeist, wieder andere ihren Lenker, Trismegistos (!) nennt sie den sichtbaren Gott, die Elektra des Sophokles den Allessehenden. So lenkt die Sonne gleichsam auf königlichem Thron sitzend, in der Tat die sie umkreisende Familie der Gestirne.
– De revolutionibus orbium coelestium, Kapitel 1:10
Der Stein der Weisen und das Elixier des Lebens
In der Hermetik werden die unsichtbaren Verbindungen zwischen den himmlischen Ebenen mit den irdischen Ebenen des Seins untersucht. Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen entwickelt ein Hermetiker dann seine Verfahren, um seinerseits die verborgenen Verbindungen zwischen den Dingen, den Lebewesen und den Seelen dieser Wesen zu erkennen. So können Naturphänomene und die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Ebenen des Seins erkannt werden. Dies verstehend erzielt der Hermetiker seinen Einfluss auf die Natur.
Hermetiker waren immer auch Alchemisten und damit auf der Suche nach dem berühmten »Stein der Weisen«, dem »Lapis Philosophorum« oder »Lapis Exillis« (Gral) – den manche auch synonym verwenden zur Bezeichnung für das magische »Elixier des Lebens«.
Die Bereitung dieses Wundersteins ist aber nicht primär auf die Handhabung mit Substanzen im Außen ausgerichtet. Eher geht es um die allmähliche Vergeistigung eines physischen Körpers. Hierfür beschreibt die Alchemie drei Phasen der Umwandlung:
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Nigredo, die »Schwärzung«, durch das Symbol des Raben gekennzeichnet. Auf Seelenebene geht es um die Konfrontation mit dem Schattenselbst (einem psychologischen Modell, dass durch den schweizerischen Psychologen C. G. Jung entwickelt wurde). Hinsichtlich der alchemistisch zu veredelnden Ausgangssubstanz, werden durch »Verwesung« (lat. »Putrefactio«) zuerst alle verunreinigende Aspekte ausgeschieden.
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Albedo, die »Weißung« wo sich der symbolische Rabe in eine weiße Taube verwandelt. Hiermit beginnt die »Vergeistigung« der Ausgangssubstanz, die Reinigung von den Abfällen aus dem Nigredo-Prozess. Auf seelischer Ebene wird sich der Hermetiker jetzt seines gegengeschlechtlichen Anteils bewusst – das was C. G. Jung bei der Frau als Animus, beim Mann als Anima bezeichnete. Alte psychische Konzepte werden in der Albedo verworfen.
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Rubedo, die »Rötung«, symbolisiert durch Rose und Blut, steht als Farbe für die Weisheit. Sie zeigt das Ende des Großen Werks (Opus Magnum) an. In C. G. Jungs Archetypenlehre entspricht die Rubedo dem Selbst in seiner Verschmelzung mit dem Ich (Ego): die »Rote Morgendämmerung des Erwachens«. Damit wurde der Stein der Weisen, wurde das Elixier des ewigen Lebens gefunden.
Dieser Stein, den Alchemisten auch den »Roten Löwen« nennen, soll rubinfarbig leuchtend, durchsichtig und sehr schwer sein. Wer ihn gefunden hat, soll minderwertige Metalle in Gold transmutieren, Kranke gesund machen und einem Menschen gar ewiges Leben schenken können!
Quacksalber oder Goldmacher?
Wissen von der »Hohen Kunst« der Alchemie besaß bereits Avicenna, von dem wir oben sprachen. Er verwies in seinen Schriften auf die zentrale Bedeutung des Merkur (Planet Merkur, griech. Hermes), dem im Mikrokosmos die Alchemie das Metall Quecksilber zuordnet (Mercurius). Dabei kommt diesem Mercurius (oder Hermes) die archetypische Rolle des Mittlers zwischen Gott und der Welt zu, zwischen Himmlischem und Irdischem, zwischen Anfang und Ende.
Nicht zufällig ist dem Wochentag Mittwoch (zwischen Montag und Sonntag) der Planeten Merkur (zwischen Mond und Sonne, laut ptolemäischem Weltbild) zugeordnet (man vergleiche mit dem französischen Namen für diesen Wochentag »Mercredi«).
Mit Hilfe der merkurialen Kräfte des Quecksilbers, soll laut Avicenna die Bereitung des sagenhaften Steins der Weisen gelingen:
Quecksilber ist kalt und feucht. Mit ihm hat Gott alle Metalle geschaffen. Es ist luftig und wird flüchtig durchs Feuer. Und wenn es dieses Feuer einige Zeit ausgestanden hat, erreicht man mit ihm Wunderwerke.
Der lebendige Geist des Quecksilbers ist von beispielloser Kraft. Man nennt es auch das Weiße oder Rote Elixier – »Ewiges Wasser«, das »Wasser des Lebens« oder die »Milch der Jungfrau«. Wer immer es zu sich nimmt wird den Tod nicht schmecken (Hinweis: Quecksilber ist ein starkes Nervengift! Ein Widerspruch also? Oder ist hier von einem anderen Quecksilber die Rede?).
Um das weiße und das rote Elixier zu gewinnen, müssen zwei Körper vereinigt werden. Selbst wenn Gold das perfekteste und edelste aller Metalle ist, wird es aufgelöst und durch seine verborgene Hitze geistig und flüchtig wie das Quecksilber. Es ist die sagenhafte Tinktur, das rote Elixier, das auch der »heiße männliche Same« genannt wird. Hingegen hat das weiße Elixier einen kalten und trockenen Charakter. Es gleicht dem aufgelösten Silber und wird darum der »kalte weibliche Same« genannt. Im Stein (der Weisen) sind beide Elixiere vereinigt. Dieser Stein ist eine flüssige Wundermedizin.
– Aus Avicennas Brief an Abu Bakr Al-Razi
Unsterbliche Alchemisten
Es bleibt letztendlich ungeklärt, welchen Personen es gelang den sagenhaften »Roten Löwen« wirklich zu finden. Die wohl bekannteste Legende rankt sich um den französischen Alchemisten Nikolas Flamel (1330-1418, offiziell).
In einem Traum erschien ihm ein Engel der ihm Hinweise auf ein besonderes Buch gab, das er sich daraufhin für wenig Geld beschaffte. Er fand darin sieben allegorische Bilder, die die Arbeitsschritte bei der Bereitung des Steins der Weisen enthüllten. Nach langen Nachforschungen traf er auf einer Rückreise von Santiago de Compostela (Spanien) einem Gelehrten namens Maître Canches. Dieser erkannte den jüdischen Ursprung der darin gezeigten Bilder und identifizierte sie als Abbildungen aus dem »Buch Abrahams des Juden«.
Mit Canches’ Hilfe konnte Flamel diese magischen Bilder entschlüsseln:
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Calcinatio – die Operation des Feuers.
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Solutio – die Operation des Wassers.
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Coagulatio – die Operation der Erde.
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Sublimatio / Destillatio – die Operation der Luft.
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Putrefactio / Fermentatio – der Fäulungsvorgang durch Verwesung.
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Separatio – die Destillation, Sublimation und Verdunstung.
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Conjunctio – der Höhepunkt des Großen Werks (Opus Magnum).
Am 17. Januar 1382 soll Flamel gemeinsam mit seiner Frau erstmals die Herstellung von Silber aus Quecksilber gelungen sein. Am 25. April desselben Jahres, gelang ihnen dann die Transmutation auf Gold! Mit Hilfe des sagenhaften Buches, fanden Nikolas Flamel und seine Frau schließlich das »Elixier des ewigen Lebens«. Einer Legende zu Folge begegneten die Flamels noch im 18. Jahrhundert (mehr als 400 Jahre alt!) Leuten in der Türkei.
Manche Legenden behaupten sogar, Nikolas Flamel sei einstiger Großmeister der Prieuré de Sion gewesen (die »Bruderschaft vom Berg Zion«, der Legende nach von dem Templer Gottfried von Bouillon in Jerusalem gegründet). In diesem Zuge versuchen ihn Verschwörungstheoretiker auch mit dem Geheimnis von Rennes-le-Chateau und dem verborgenen Schatz der Katharer in Verbindung zu bringen.
Ebenso kursieren Gerüchte über den mysteriösen Graf von Saint-Germain (1710-1784, offiziell) der ebenfalls Unsterblichkeit erlangt haben soll. Der Legende nach soll er als unbekannter, »Ewiger Wanderer« noch weit bis ins 19. Jahrhundert in Europa gesehen worden sein.
Saint-Germain verzauberte mit seinem magischen Violinspiel seine Zuhörer auf Bühnen in England. In Italien kannte man ihn als fabelhaften Bildhauer, in Deutschland wiederum bewunderte man ihn als genialen Chemiker. Besonders aber in Frankreich kursierten verschiedene Gerüchte über Saint-Germain.
Es heißt, er pflegte im 18. Jahrhundert innige Verbindungen zum französischen Königshaus. König Ludwig XV. und seine Mätresse Madame de Pompadour, behandelten ihn als äußerst respektablen Zeitgenossen. Ludwig hielt ihn für eine Person edelster Abstammung. Er glaubte Saint-Germain kenne das Geheimnis der Transmutation von Metallen in Gold. Doch viele hielten ihn für einen Betrüger und Hochstapler. Die Pariser Polizei suchte nach Beweisen, die zeigen sollten, dass Saint-Germain auf ungesetzliche Weise zu seinem Reichtum kam. Leider versagte der Versuch irgendeine normale Quelle für seinen Wohlstand zu ermitteln.
Eine andere Legende erzählt, dass eine 45-jährigen Edeldame ein Fläschchen von Saint-Germain bekam. Diese enthielt ein Wunderelixier, das die Frau auf einen Zug austrank. Niemand erkannte sie danach, denn sie verjüngte sich, ohne es selbst zu merken, in ein sechszehn jähriges Mädchen!
Hermetik, Naturwissenschaft und die Industrielle Revolution
Durch die Erkenntnisse aus der Hermetik gelang die Herauslösung wissenschaftlicher Bestrebungen aus den Zwängen kirchlicher Dogmatik und Glaubensnormen. Damit sich aber die Formen der Wissenschaften weiter kristallisieren konnten, mussten bestimmte hermetische Gesetze erneut verworfen werden. Nur so konnte eine letztendliche Trennung von einem, von der Kirche erzwungenen Glauben an Gott und ein Wissen über das Wesen der Hermetik erfolgen.
Der alte Wunsch nach Erleuchtung sollte schließlich dem Strebsamen in der wissenschaftlichen Forscher weichen. Als Offenbarungslehre diente die Hermetik also der Trennung von Wissen und Glauben. Gleichzeitig aber blieb sie als Bindeglied zwischen diesen beiden Haltungen menschlichen Intellekts erhalten.
Mit der Wissenschaftlichen Revolution gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam es zur eigentlichen Trennung von Astrologie und Astronomie, von Alchemie und Chemie, von Hermetik und Naturwissenschaft. Ansichten über die Natur wurden immer mehr in ein mechanistisches Weltbild eingepfercht.
1776 wurde die erste einsatzfähige Dampfmaschine nach dem Prinzip von James Watt in England installiert; das war die Geburt des industriellen Zeitalters. Durch die Einführung quantitativer Messmethoden in der Chemie durch den Franzosen Antoine de Lavoisier, wurden materielle Weltanschauung gefestigt. Man wollte nun mit Vernunft und Logik nach wahrem Wissen streben und sich auf diese Weise ein für alle mal von Religion und Spiritualität trennen.
Gleichzeitig veränderten sich Ende des 18. Jahrhundert auch die politischen Verhältnisse in der westlichen Welt. Die Macht der Monarchien begann zu schwinden. Geheimgesellschaften wie zum Beispiel der Illuminaten-Orden (gegründet 1776 von Adam Weishaupt in Ingolstadt) gewannen an Einfluss. Amerika deklarierte 1776 seine Unabhängigkeit vom britischen Königshaus und mit der Französischen Revolution von 1789, begann die Zerschlagung des absolutistischen Machtapparats der Monarchie in Frankreich.
Ganzheitliche Wissenschaften im 21. Jahrhundert
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts versuchten Wissenschaftler alles sinnlich Wahrnehmbare mit dem Tatsächlichen gleichzusetzen. Das heißt, wenn man Naturerscheinungen erforschte, glaubte man, im Beobachten dieser Erscheinungen ihre charakteristische Wesensart zu erkennen. Wenn zum Beispiel ein Stern an einer bestimmten Position strahlte, so hielt man diese Position auch für seinen tatsächlichen Aufenthaltsort am Himmel.
Wie man heute weiß, krümmen schwere Sterne die Raumzeit. Die Positionen vieler Sterne sind darum von der Erde aus betrachtet verschoben. Diese, durch Albert Einsteins Relativitätstheorie vorausgesagte Raumkrümmung, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts durch Arthur Eddington bestätigt. Am 28. Mai 1919 ereignete sich eine totale Sonnenfinsternis. Um den Rand der Finsternis konnte Eddington Sterne fotografieren, die sich eigentlich hätten hinter der Sonne befinden müssen. Durch die große Masse aber krümmte die Sonne die Raumzeit so, dass sich der Lichtstrahl des Sterns auf einer gebogenen Linie um die Sonne bewegte und darum überhaupt gesehen werden konnte.
Auch die Atomphysik sollte im 20. Jahrhundert eine Revolution erfahren. Mehr als 2.500 Jahre lang glaubte man, dass Atome unteilbar seien. Doch 1911 entdeckte Ernest Rutherford (1871-1937), dass sich Atome aus einem »festen« Kern und einer »durchlässigen« Hülle zusammensetzen.
Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts sollte sich außerdem zeigen, dass die materielle Welt des Mikrokosmos in Wirklichkeit überhaupt nichts Festes enthält! Ja, man entdeckte in den Atomkernen noch kleinere Bausteine: die Nukleonen (Protonen und Neutronen). Das Modell einer »Atomhülle« aus Elektronen erweiterte sich zu einem wolkenartigen Orbitalmodell aus »Wahrscheinlichkeitsräumen«, in dem sich die Elektronen eines Atoms aufhalten können – einem genauen naturwissenschaftlichen Gesetz aber fehlte ab diesem Zeitpunkt jede Handhabe.
Die Nukleonen wiederum setzten sich aus sogenannten Quarks zusammen, Quarks und Elektronen aus den noch kleineren T- und V-Rishons. Neuere Theorien der Quantenphysik sprechen gar von kneuelartigen, mitunter chaotischen Strukturen (sogenannte »Strings«), aus denen diese Quarks zusammengesetzt sind.
Das Alte auflösen um darin das Neue zu verbinden
Im 20. Jahrhundert sollten die Erkenntnisse aus der Relativitätstheorie und der Quantenphysik, alte physikalische Denkgebäude endgültig zum einstürzen bringen. Materie und Energie waren nicht mehr etwa verschiedene physikalische Zustände, sondern in bestimmten Fällen ein und das Selbe!
Astrophysiker fanden die sogenannten »Schwarze Löcher«, Sterne, deren Schwerkraft so stark ist, dass sie zum einen alles eintretendes Licht anscheinend »verschluckten« und in ihrer Nähe die Zeit stehenbleibt. Es kommt also auf den Betrachter an, der nur relativ zu etwas Aussagen über ihr raumzeitliches Sein treffen kann (daher »Relativitätstheorie«).
Das sind wissenschaftliche Tatsachen, die den menschlichen Verstand bei weitem übersteigen. Auch Experimente im subatomaren Bereich liefern je nach Art der Beobachtung immer andere Ergebnisse. Kurz: man sieht, dass alles relativ ist. Der Betrachter bestimmt den Ausgang eines Experiments im Bereich makrokosmischer oder mikrokosmischer Beobachtungssysteme.
Je weiter unser Blick in den Makrokosmos schweift und je genauer wir in die Feinheiten des Mikrokosmos zu spähen versuchen, desto mehr verliert unsere menschliche Vernunft scheinbar an Bedeutung: Erkenntnisse, die es Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht gab.
Beobachter und Beobachtetes sind, wie es scheint, untrennbar miteinander verbunden. Ja besser noch: Der Betrachter beeinflusst durch seine Beobachtung das Beobachtete (etwas, dass schon seit vielen Jahrhunderten die Gelehrten mystischer Strömungen sagen). In der Relativitätstheorie spielt dabei die Position des Beobachters in der Raumzeit eine Rolle. In der Quantenphysik ist es bereits die Betrachtung an sich, die das so Geschehende beeinflusst, als eine Reflexion des untersuchenden Betrachters.
Es dürfte also durchaus sinnvoll bleiben, wenn sich auch der moderne, wissenschaftlich geprägte Mensch, um neue Erkenntnisse über das Sein in der Welt zu gewinnen, sich des alten, überlieferten Wissens bewusst bleibt. Was oben erwähnt wurde, als der Traum des Suhrawardi, sollte uns durchaus zu denken geben. Eines der Ziele der Hermetik war immer, bestehendes aufzulösen und darin neue Erkenntnisse zu verbinden. Darum lautet eines der wichtigsten Axiome der Hermetik:
Solve et Coagula
Diese Formel beschreibt den Prozess der Trennung oder Auflösung (Solve) eines Zustandes und das anschließende Zusammenfügen (Coagula) seiner Komponenten, was zur Erhöhung beziehungsweise Veredelung der Beschaffenheit seines Ausgangszustandes führt.
Fortschritt im Denken des Menschen ist also nur durch ein kontinuierliches Trennen von alten Vorstellungen möglich, wenn er sich mit neuen Vorstellungen verbindet. Dabei bilden darin liegende Neuigkeiten keine neuen Erfindungen (ganz nach dem Motto »Es gibt nichts Neues unter der Sonne«), sondern waren eben einfach noch nicht bewusst gemacht.
Auch manche der mündlich überlieferten Weisheiten aus dem alt-ägyptischen Paganismus, sollten sich teilweise in dem reflektieren, was im jüdischen Exodus im Sinai zu einer Buchreligion wurde.
Als sich diese Formen der Überlieferung im christlichen Mittelalter festigten, kam es schließlich immer mehr zur Herauslösung bestimmter Themen des wissenschaftlichen Denkens. So konnten sich unabhängig voneinander Intellekt und Spiritualität weiterentwickeln und sich gewissermaßen in einem Opus Magnum der Menschheit, getrennt voneinander zu ihrer höchsten Form veredeln – exoterisch und esoterisch, äußerlich wie innerlich.
Dieses Streben führte auf getrennten Wegen durch die Welt der Erkenntnisse. Im aufdämmernden aquarianischen Zeitalter des 21. Jahrhunderts werden diese Wege sich aber immer häufiger kreuzen und schließlich wieder zu einem gemeinsamen Weg zusammenlaufen – einem Weg der die Menschheit zurückführt zur Einheit im Sein.
[…] mit dem Vermögen die Wunderwerke eines einigen Dinges zu vollbringen.
– Tabula Smaragdina
6 comments
“Nicht zufällig ist dem
“Nicht zufällig ist dem Wochentag Mittwoch (zwischen Montag und Sonntag) der Planeten Merkur (zwischen Mond und Sonne, laut ptolemäischem Weltbild) zugeordnet!”
Wenn das Besondere des Mittwochs hervorgehoben werden soll, funktioniert das nur in der alten historischen Kalenderzählung, als die Woche noch von Sonntag bis Samstag zählte (in D nur bis in die sechziger Jahre üblich), also als der Sonntag noch der 1. Tag der Woche war, wie es in USA noch ist, denn nur da ist der Mittwoch ja auch wirklich in der Mitte, wenn man von Montag bis Sonntag zählt, dann ist ja der Donnerstag in der Mitte.
Danke schön für den
Danke schön für den wissenswerten Artikel über die Hermetik. Auch Einstein hat sich mit einem sehr spirituellen Buch beschäftigt. Das kabbalistische Werk heißt ‘der Zohar’ was übersetzt Sonnenglanz bedeutet. Dieses Buch erläutert die Heilige Schrift und berichtet über die höheren, spirituellen Welten die ein Ausdruck der materiellen Welt sind. Dieses Werk kann ich sehr empfehlen, für all jene die sich für die Spiritualität interessieren.
Der Zohar ist eine wahre
Der Zohar ist eine wahre Quelle der Weisheit. Man kann sein ganzes Leben damit beschäftigen.
Besten Dank für diese ausführliche Aufklärung der Hermetik, lieber Selim🙏🙏
Eine wunderbare Zuammenfassung der Hermetik von ihren Ursprüngen bis in die heutige Zeit und ihre Auswirkungen.
Und die Hinwendung am Schluss zur tröstlichen Entwicklung des All Eins, der Zusammenführung der Systeme zum Segen aller…
Vielen Dank für diesen hervorragenden Artikel…!
Vielen Dank für Ihr positives Feedback zu diesem Artikel.
Ich denke, wenn wir dafür offen bleiben, dass sich unser aller Wege weiterhin und imme häufiger kreuzen werden – unabhängig von technologischen Steuermechanismen von außen – so denke ich, wäre das eine Chance wieder über unser Inneres zu einer gemeinsamen Einheit zu gelangen. Einzige Voraussetzung dafür wäre wohl die Ausrichtung auf eben jenes “Einige Ding”, ein Neutrum – sowohl alles (als Leere in der alles sich auszubreiten vermag), wie auch Nichts (die “Nichtausdehnung” der Dimension des Punktes, der sich überall befinden kann).