Im 2. Jahrhundert vorchristlicher Zeit entstand das erste Astrolabium: Eine präzise Kleinmechanik zur Voraussage der Gestirnbewegungen. Niemand aber ahnte damals, wozu sich die daraus gewonnenen Erkenntnisse dereinst entwickeln sollten.
Wie auch? Allenfalls führte man die Gedanken seiner Erfinder weiter oder knüpfte daran an, wie etwa beim sogenannten “Mechanismus von Antikythera”: Mit Hilfe eines ausgeklügelten Zahnrad-Systems konnte man damit auf präzise arbeitenden Anzeigetafeln ablesen, welche astrologischen Konstellationen sich im Sternenhimmel bilden werden.
Dieses erstklassige Instrumentarium ließe sich gar als erster “Analoger Computer” bezeichnen, der den Stand der klassichen astronomischen Siebenheit von Sonne, Mond und den fünf Planeten (Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur) genau vorauszuberechnen vermochte, mitsamt einer Anzeige für künftige Sonnen- und Mondfinsternisse.
Sehr wahrscheinlich war der griechische Mathematiker Archimedes von Syrakus (287-212 v. Chr.) der Erfinder dieses antiken Präzisionsgeräts. In den Jahrzehnten nach seiner Zeit wurde die Funktionsweise dieses magischen Geräts soweit optimiert, dass jemand daraus bestimmbare Messergebnisse auch anderweitig verwenden konnte, um sich den realen Abläufen anzunähern, in dem uns umgebenden Sternensystem.
Beobachtung der Sternen-Kreisläufe
Schaut man zurück auf die vergangenen 2.300 Jahre seit dieser Zeit, so sollten solche und andere Erfindungen zur Beobachtung makrokosmischer Kreisläufe nicht nur eine bessere Einschätzung der Zyklen ferner Himmelsobjekte bieten, sondern derartige technische Behelfsmittel den Forscherdrang insoweit befeuern, dass man sich vermehrt auch für das interessierte, was der Mensch an wichtigen Ereignissen in seiner näheren Umgebung beobachten kann.
Ins ganz Große und ganz Kleine blicken
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts konstruierte man in Italien und in den Niederlanden die ersten Teleskope und Mikroskope. Hieraus natürlich entstanden wiederum verbesserte Instrumentarien, mit denen der Mensch nicht nur in weite, für ihn unerreichbare Fernen Fernen blicken kann, sondern ihm so gewonnene Resultate dereinst immer näher kommen sollten, ja heute gar in sein Inneres zu drängen scheinen.
Falsch aber wäre zu meinen, dass sich diese Entwicklung hätte vermeiden lassen. Es ist das Streben des Menschen nach Erkenntnis eben so alt wie die Menschheit selbst und lässt sich darum auch nicht “abbrechen”. Der intelligente Körper des Menschen, den manche esoterischen Traditionen als “Fahrzeug der Seele” bezeichnen, ist nicht grundlos in dieser Form auf der Erde inkarniert.
Und doch scheint, besonders heute, sich die Frage nach einem “Wie weiter?” zu stellen. Ganze Bibliotheken füllen Bände, die auf unzähligen Buchseiten danach fragen, was zu dem unersättlichen Entdeckergeist des Menschen führte und wie er sich fortentwickeln soll. Dabei begann alles aus dem einfachen Wunsch heraus, im Einklang mit den Bewegungen der Himmelslichter zu leben, die den Menschen der Antike ja als Verkörperungen der Götter galten.
Die Gestirne als Paradigma der Zeit
Besonders unser Zentralgestirn Sonne, doch auch der Mond, geben dem Menschen ein natürliches Zeitmaß, an dem er sein Handeln den irdischen Kreisläufen entsprechend angleichen kann – auch heute. Wer in alter Zeit wusste, wie es sich mit den Jahreszeiten verhält, der konnte auch entsprechend planen, und dabei die Zeitpunkte für die Aussaat, Reifedauer und das Datum für den Beginn der Erntezeit genau ermitteln. Das war über Jahrtausende hinweg die Grundlage sesshaft gewordener Volksgemeinschaften, wie zum Beispiel die alten Menschen des ägyptischen Nildeltas.
Natürlich sollte auch der Mensch in seinem ganzen Dasein auf die solaren Zyklen eingestimmt, besondere Regungen empfinden (Frühling) oder eben andererseits den Wunsch zu innerer Einkehr (Herbst) in sich spüren. Und da solche Stimmungslagen in alter Zeit, wo die Menschen noch mehr in der Gemeinschaft in direktem Austausch zusammenlebten, einem starken Miteinander dienten, kam es irgendwann auch zur Einrichtung traditioneller Festivitäten, die man, auf diese Kreisläufe der Gestirne symbolisch abgestimmt, zusammen feierte.
Der Sonnenstand und seine Bedeutung für die religiösen Feste
Es war das die Zeit als die Religionen entstanden. Wobei ja seinem Ursprung nach das Wort »Religion«, auf ein Beachten dieser kosmischen Zyklen Wert legt. Denn, wie wir oben bereits sagten, rufen die Klimata der Jahreszeiten im Menschen entsprechende Temperamente wach. In Bezug auf den Sonnenstand bewegt man sich da in der Welt des Grobstofflichen (klimatische Unterschiede der Jahreszeiten) und je nach Mondphase (Gezeitenwirkung) im Bereich des Feinstofflichen.
So entstand daraus wohl der Brauch die Jahresfeste zu feiern. Sie wurden von den eingeweihten Mitgliedern einer Hohen Priesterschaft festgelegt, die sich dazu, entsprechend ihrer Zeitepoche, besonderer Messmethoden bediente (wie etwa bei den Alten Chaldäern). Zuerst maß man mittels geeigneter Beobachtungstechniken. Sie sollten später dann automatisch funktionierende Mechanismen ergänzen, bis man sich schließlich nur noch darauf verließ, ohne die dahinter stehende Funktionsweise noch näher verstehen zu müssen.
Eine kurze Geschichte der Uhr
Damit einher ging wohl auch eine Verallgemeinerung des Natürlichen, was vermehrt zur Abstraktion makrokosmischer Prinzipien führte. Das solare Zeitmaß sollte einst den Glockenschlag ersetzen, der von einem besonderen Räderwerk automatisch ausgelöst, die Zeitpunkte für die rituellen Handlungen markierte. In den Klöstern wusste man sich genau danach zu richten und verzichtete über Jahrhunderte hinweg anscheinend sogar auf die direkte Beobachtung des Sonnenstands. So fanden die Betenden damit quasi automatisch zu den festgelegten Zeitpunkten ihrer Religionsausübung zusammen.
Aus den darin arbeitenden Prinzipien entwickelte sich dann später das runde Zifferblatt wo eben ein Zeiger auf den Moment für das bevorstehende rituelle Ereignis (Glockenschlag) und den Ruf zum Gebet hinwies. So konnte man sich entsprechend darauf vorbereiten. Das war die Geburt der eben so genannten “Stunde” (von germanisch “stundo”, die Frist), die die Mechanik einer Uhr anzeigte.
Was einst diese Uhren in den Gebetskammern der Klöster waren, wurden später zu den für alle sichtbaren Uhren im Inneren des Klosters.
Später sollten Uhren dann auch die Türme der alten Kirchen ganz nützlich zieren, wo ein Glockenschlag dann nicht mehr nur eine Mönchsgemeinde an die Gebetszeiten erinnerte, sondern dieser auch dem Volk ertönte, um den Blick auf das Ziffernblatt am Turm des Gotteshauses zu lenken.
Dann, im Jahr 1510, erfand der Nürnberger Uhrmacher Peter Henlein (1479-1542) die ersten transportablen Tischuhren.
Spätestens Ende des 18. Jahrhunderts hörte man Uhren in fast allen Wohnzimmern des Bürgertums ticken.
In der Moderne begannen Menschen damit, wie jeder weiß, Uhren an ihre Handgelenke zu gürten, so dass sie, ganz gleich wo, immer die Zeit parat haben.
Das Ticken einer Inneren Uhr
Aus dieser Selbstverständlichkeit heraus, begann dann im Menschen auch allmählich eine innere Uhr mitzulaufen, die seine Sicht auf die Welt, aus dieser entsprechend gemessenen Zeit, von einem zyklischen und sich erneuernden Denken, wohl in ein lineares Zeitempfinden verändern sollte, was vielleicht auch zu einer zunehmenden Unterteilung seiner Geistesaktivität führte.
Der Blick auf die Uhr und die daran vor allen Dingen gemessene Zeit, sollten ein Bewusstsein für die zyklische Weiterentwicklung des menschlichen Geistes mehr und mehr erübrigen. Die senkrechte Entwicklung zu spiritueller Vollkommenheit, schien damit jedoch immer rissiger zu werden. Es kam zu einer eher horizontalen Wahrnehmung, die sich immer mehr an Maßstäben orientierte, doch somit auch allmählich immer mehr verflachte.
Es scheint also, als würde die Erkenntnis des eigentlich Zyklischen der Zeit die Möglichkeit zur Fortentwicklung bieten, während das Lineare Zeitempfinden anscheinend die Empfindung eines ewig wiederkehrenden Gleichen suggeriert.
Weckruf und Zapfenstreich
In der Zeit der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 und der Französischen Revolution die von 1789 bis 1799 dauerte, kam es gegen Ende des selben Jahrhunderts auch zu dem, was man heute als die “Industrielle Revolution” bezeichnet.
Die damals für die Zeitmessung präzisierten Zahnradtechniken schufen die Voraussetzungen dafür, dass man sie auch im produzierenden Gewerbe einzusetzen begann. Spätestens aber mit der Erfindung der Dampfmaschine und ihrer durch James Watt (1736-1819) optimierten Funktionsweise, sollte die Epoche eines Industriellen Zeitalters beginnen.
Manche Verschwörungstheorien sehen die genannten Jahreszahlen gerne im Zusammenhang mit der Gründung des Ordens der Illuminaten im Jahr 1776, dem Jahr, in dem auch Watts verbesserte Dampfmaschine in Betrieb genommen wurde und das im Werk des britischen Erfinders John Wilkinson, der 1774 sein Verfahren zum Gießen und Ausbohren eiserner Kanonen patentieren ließ, was dann entsprechend auf das Bohren von Maschinenzylindern übertragen wurde.
Kaum verwunderlich dass die Industrielle Revolution zu einer regelrechten Umwälzung im gesellschaftlichen Leben Europas führte. Und mit diesen sozialen Veränderungen sollte sich auch ein ganz neues Denken entwickeln, zumal sich daraus ja plötzlich eine Autarkie ergab, die sich aus traditionelleren Gefügen zu lösen begann. Denn was bis ins 18. Jahrhundert überwiegend europäischen Monarchen vorbehalten war, stand nun anscheinend auch dem Volk zur Verfügung.
Das Ende der Himmlischen Siebenheit
Wenn die Könige zuvor das imperiale Wesen der Welt verkörperten, was sich seit der Antike ja auch auf die traditionelle, himmlische Siebenheit der Gestirne berief, so ist es bemerkenswert, dass man ebenfalls in dieser Zeit (im Jahr 1781) den Planeten Uranus entdeckte, der der alten Sternen-Siebenheit mit einem Schlag ihre kosmische Bedeutung entriss!
Nun hatte die besagte Emanzipation des Volkes aus den monarchischen Strukturen durch die Industrielle Revolution sicherlich ihre sozialen Auswirkungen. Aus heutiger Sicht jedoch, scheint die damit einhergehende Befreiung des Volkes nur eine zeitweilige Befreiung gewesen zu sein. Denn was die auferlegten Zwänge der einst Alleinherrschenden waren, sollte dereinst in ein noch viel dramatischeres Maß an Einschränkung der Freiheit des Einzelnen führen. Eine wohl kaum geahnte Tatsache, die heute mehr den je dazu tendiert ganz vergessen zu werden, geht doch der Wunsch moderne Technologie zu nutzen anscheinend einher mit einer immer stärker zunehmenden Unkenntnis darüber, wie sich das auswirken könnte für das eigene Bewusstsein.
Von einem zyklischen zu einem linearen Zeitempfinden
Was seit dem Ende des 18. Jahrhunderts immer mehr ins Zentrum menschlichen Bewusstseins rückte, war also die Maschine und die ihr entsprechenden prozessartigen Abläufe. Alles Zyklische erledigten anscheinend von da an, sich hinter Stahlwänden drehende Zahnräder, deren Zeichen im Außen dem Menschen aber ein lineares Zeitempfinden suggerierten.
So empfand der Mensch in den Industrieländern sein Leben wohl nicht mehr als zyklische Fortentwicklung eines schrittweisen Aufstiegs, sondern als eine linear und auf einer eher waagerecht abmessbaren Zeitlinie: mit einem Anfang (Geburt) und einem Ende (Tod). Zeit wurde damit zu etwas Metrischem und damit Endlichem. Immer mehr Menschen scheint damit die Fähigkeit abhanden zu gekommen, sich auf innere Zyklen einzulassen. Alsbald wurde auch der Körper als funktionierende Maschine gesehen, wo etwas Unsichtbares im Inneren vor sich ging (und so die menschliche Haut allmählich der Stahlwand der Maschinen zu ähneln begann).
Soll der Mensch als Maschine überleben?
Interessant, dass man nun bereit war die Handhabung des Inneren mehr und mehr an besondere Fachleute abzugeben. Und so sollten allmählich auch medizinische Gerätschaften in den menschlichen Körper Einzug nehmen, wie eben schon seit Längerem solch Technologien wie die eines Herzschrittmachers, der natürlich, keine Frage, seinen wertvollen Zweck erfüllen kann.
Wie es sich jedoch mit einer daraus erwachsenen Mentalität unseres vermeintlichen Menschseins verhält, kann noch gar keiner sagen, zumal solch physiologisch-unterstützende Technologien gerade einmal etwas mehr als 60 Jahre alt sind.
Bei alle dem aber scheint sich schon länger eine Tendenz zu entwickeln, den Menschen sogar, ohne direkte Krankheitssymptome, »optimieren« zu wollen, im Sinne einer materiellen Aufwertung seines körperlichen Daseins. Die sogenannten »Transhumanisten« glauben, der Geist ließe sich dann auch aus dem Körper extrahieren und als eigenständiges Laufwerk, auf kristalline Silicium-Einheiten übertragen, worin eingeschlossen er den menschlichen Körper über-leben soll.
Doch wie war das gleich, mit diesem, an sich schon unsterblichen Teil im Menschen, der den fleischlichen Körper annahm und als ewig ungreifbare Ursache, ja bereits die Wurzeln unserer gesamten Zivilisation bildete?
Titelbild: von Daderot