Die Kenntnis der ungarischen Runenschrift war beim ungarischen Volk weit verbreitet. Buchstaben wurden in Holz, Stein, Knochen und Haut geschrieben. Dies belegen viele entsprechende Funde.
Der archäologische Fund in Tatárlaka (einer Stadt im Nordwesten Rumäniens, Region Transsilvanien) ist ca. 7200 Jahre alt. Damit ist die ungarische Runenschrift eine der ältesten Schriften Europas.
Ihre Verwendung war bis vor tausend Jahren üblich, bis zur Zeit von Stephan I. dem Heiligen (969-1038), dem Begründer des Königreichs Ungarn. Er war es, der mit der Einführung des römischen Christentums das Schreiben in lateinischen Buchstaben offiziell machte. Trotzdem behielten die einfachen Leute ihre alte Schrift noch jahrhundertelang bei und benutzten sie weiter. Die Schrift wurde am längsten im Seklerland bewahrt, weshalb sie heute als »Sekler-Ungarische« oder schlicht »Altungarische Schrift« bezeichnet wird.
Heutzutage ist die Tradition der Verwendung der Runenschrift wiederbelebt worden, dass sie zu einer ungarischen Standardschrift erhoben worden ist, die auch auf Computern verwendet werden kann. Wir finden viele Ortsnamen mit Runenschrift geschrieben.
Bild von Miklós Szondi (größeres Bild +)
Die Ursprünge der Altungarischen Schrift
Die offizielle wissenschaftliche Theorie besagt, dass sie alttürkischen Ursprungs ist. In Anbetracht authentischer Runenzeugnisse nannten Gelehrte des 19. Jahrhunderts (oder noch früher) diese alte Schrift jedoch Skythen-Hunnisch oder Sekler-Ungarische Rovas.
Ein Beispiel
Schauen wir uns dazu das Werk des italienischen Grafen Luigi Ferdinando Marsigli an, einem Naturforscher und Militäringenieur. Im Jahr 1690 kopierte Marsigli in Gyergyószárhegy* (heute rumänisches Dorf in Siebenbürgen) einen Kalender mit fast 200 Wörtern. Im „Kalender“ waren auf einem Stock Kirchenfeiertage und christliche Namenstage eingeritzt. Nach Angaben der Einheimischen stammt der „Kalender“ aus dem 11. Jahrhundert, der Zeit der Bekehrung zum Christentum.
Marsigli gab seiner Kopie den folgenden Titel:
Eine in Holz geschnitzte Sammlung der Sprache der alten Skythe-Bewohner des Seklerlandes.
Der Historiker István Szamosközi (1540-1612) schreibt dazu:
Bei diesem siebenbürgischen Volk gibt es noch eine gewisse einheimische Schrift, die von ihren Vorfahren, den Skythen durch viele Jahrhunderte hinweg an die Nachkommen weitergegeben wurde …
Gottfried Hensel, ein deutscher Sprachwissenschaftler, fertigte 1741 vier, sogenannte »Vaterunser-Landkarten« an. Der Text des Gebets wurde in den verschieden Ländern in der jeweiligen Sprache eingetragen. Auf dem Gebiet Ungarns war es die Runenschrift. Am unteren Rand seiner Europakarte schrieb er außerdem dazu »Hunorum Elementa« – das Alphabet der Hunnen.
1866 betitelte Károly Szabó (1824-1890), ein ungarischer Bibliothekar, Historiker und Universitätsprofessor, in der Budapester Rundschau seine Artikelserie mit »Über die alte Hunnen-Sekler-Schrift«.
Es gibt viele weitere Studien von Reisenden, Sprachwissenschaftlern und Historikern, die den skythisch-hunnisch bzw. skythisch-ungarischen Ursprung der besagten Schrift eindeutig belegen.
Grafik von Miklós Szondi (größeres Bild +)
Als Skythia wurde das große Gebiet der heutigen Ukraine und Süd-Russlands, sowie ein Teil von Zentralasein verstanden.
Die erwähnten Runenfunde wurden zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten gesammelt. Wir kennen heute mehrere Runenalphabete, die sich geringfügig voneinander unterscheiden. Die Unterschiede beschränken sich meist auf die Vokale. Der Grund dafür könnte sein, dass je weiter wir in der Zeit zurückgehen, desto weniger Vokale ausgeschrieben wurden. Da das Wissen über der Runenschrift innerhalb der Familien weitergegeben wurde, entstand eine große Vielfalt der gesammelten Zeichen.
Die ungarischen Runenzeichen: Buchstaben und Zahlen
Es gab auch Zeichen zum Schreiben von Zahlen, da es sehr wichtig war z.B. die Tierbestände festzuhalten. Sie wurden mit genialer Einfachheit verwendet. Zum Beispiel setzt sich die Zahl 2435 gelesen von rechts nach links aus 2 Tausendern, 4 Hundertern, 30 und 5 zusammen.
Die Sekler-Ungarische Runenschrift ist dem deutschen Futhark, dem angelsächsischen Futhork und dem Wikinger-Futhork sehr ähnlich.
Wo könnte es einen Berührungspunkt zwischen den germanisch-angelsächsischen Runen und der skythisch-ungarischen Runenschrift geben? Wo konnten die germanischen und angelsächsischen Stämme auf die frühen ungarischen Stämme skythischen Ursprungs treffen? Die Magyaren lebten in den südrussischen Steppen.
Verbreitet ist die Meinung, dass die Runenschrift von den Goten in Südrussland erfunden wurde. Die ältesten Inschriften fand man auf Speeren, die entlang der alten Routen vergraben worden sind. Die Straßen bildeten ein kulturelles Bindeglied zwischen den Wikingerstämmen Russlands und ihren baltischen Brüdern.
In dieser Region und zu dieser Zeit konnten die Goten und die Skythen aufeinander treffen.
Das gotische Alphabet wurde von Wulfila (311-383) erschaffen, einem gotischen Theologen. Es wird angenommen, dass er in den Jahren nach der christlichen Zeitenwende, von 311-383 lebte und Bischof des heutigen Nordbulgariens war. Bis dahin wurde die gotische Sprache nur in Runenform ausgedrückt. Die Runen galten auch als magische Zeichen und waren bei rituellen Handlungen angewendet.
Nach Annahme esoterischer Autoren sind die Runen nicht nur Schriftzeichen, sondern bilden ein ganzes System von Weisheitskräften, die Runensymbole selbst sind nur ein Aspekt deren. Die in Felsen und Steine geritzten Runen könnten als Visionen weiser Männer in der Antike entstanden sein, als Gaben der Götter, damit die Menschen dieses Wissen kultivieren und pflegen und ihr Leben damit bereichern.
Die Runenschrift erlebte ihre Blütezeit von 200 vor Chr. bis ins Mittelalter. Die Chancen, solche Runen zwischen Ostsee und Mittelmeer-Raum zu finden, sind groß.
Alte Steine zeugen von der Verwendung der Runen bei den nördischen Völkern. So z.B. der sogenannte »Einangstein« der heute noch an seinem ursprünglichen Platz, in der Nähe von Fagernes in Norwegen steht (seit etwa 350 n. Chr.). Oder die »Runo Faihido«, um 450 n. Chr. gemalte Runen, die man auf dem »Järsberg-Stein« in Schweden fand.
Foto von Marta Nagy
Was bedeutet das Wort Rune?
Über die Bedeutung des Wortes Rune gibt es verschiedene Interpretationen. Das Wort Rune ist mit dem Ausdruck Rowan verwandt. Rowan ist der volkstümliche Name der Eberesche. In der Prosa-Edda (einem nordischen Epos) ist das auch der Name eines Baumes den man auch als lebendigen Strahl bezeichnet. Das Wort Rowan klingt ähnlich dem Namen der ungarischen Runenschrift »rovás«. Beide Wörter werden auf Ungarisch sehr ähnlich ausgesprochen.
Drei verschiedene Hauptvarianten des Runenalphabets sind bekannt:
- Das deutsche Futhark
- das angelsächsische Futhork und
- das Wikinger-Futhork
Futhark oder Futhork leitet sich von den ersten sechs Buchstaben dieses Alphabets ab:
F, U, Þ, A, R, K.
Die ungarischen Runenzeichen und germanischen Runen könnten als ein Hieroglyphensystem interpretiert werden, da jedes Symbol auch eine inhaltliche Bedeutung darstellt.
Die ungarischen Runensymbole inspirierten Erika Zubor Nérya zu ihren Bildern, die die einzelnen Buchstaben in künstlerischer Form darstellen. In ihren Gemälden wird der spirituelle Inhalt jedes einzelnen Runenzeichens, von ihr wahrgenommen, lebendig. Ihre Bilder können zum Schreiben eines Wortes nebeneinander gelegt werden.
Schreibweise
Die ungarische Runenschrift wird von rechts nach links geschrieben, gelesen.
Zum Beispiel das Wort »Szarvas« (deutsch: Hirsch):
Dabei stehen die einzelnen Zeichen und Buchstaben für die folgende Interpretation:
- Sz – Geburt, Liebe,
- A – Mutter, gesegneter Zustand,
- R – Ordnung, Schöpfung,
- V – Wasser, reinigende Kraft,
- A – Mutter, gesegneter Zustand,
- S – Schutz des Falken.
(zum Vergrößern bitte auf Bild klicken)
Die hier gezeigten Bilder der Künstlerin Erika Zubor Nérya sind Interpretationen der Bedeutung des Wortes Szarvas – der Hirsch. Der Falke ist das Totemtier der Ungarn.
Der sagenhafte Wunderhirsch führte die Zwillingsbrüder Hunor und Magor in die neue Heimat (Karpatenbecken) der Magyaren.
Titelbild
Erika Zubor Nérya
Verwendete Literatur:
Klára Friedrich: Die Ursprünge unserer Rasse auf der Grundlage skythisch-hunnischer Alphabete
Miklós Szondi: www.magyarrovas.hu
Paul Schmidt: Runenmagie
Bernard King: Die Geheimnisse der Runen
Erika Nérya Zubor: Runenbilder und ihre Anwendungsmöglichkeiten
Korrektur/Lektor Ákos Balogh