Zu dir allein flehen wir um Hilfe. […] Euer Herr sagt: Ruft mich an, so erhöre ich euch.
– Sure 1:5, 40:60
Das arabische Wort „Dua“, ist die Bezeichnung für das Bitt- oder Dankesgebet im Islam. Ein Dua kann zu jeder Zeit gebetet werden – im Unterschied zum „Salaat“, dem islamischen Pflichtgebet, dass sich nach den Tageszeiten richtet. Im Dua dankt ein Muslim oder fleht Allah um Hilfe an. Als solches aber ist es Inbegriff göttlicher Verehrung.
In der Zeit des Propheten Mohammed (as) waren seine Gefährten stets bemüht, seine Bittgebete aufzuzeichnen, um diese auch an kommende Generationen zu verteilen. Hieraus entwickelte sich eine eigene Tradition, die diese und auch andere Gebete aufschrieb und versuchte, sie in kleinen Gebetsbüchern so viel wie möglich Menschen zugänglich zu machen.
Muslime glauben, dass wer Gott anruft von ihm auch Hilfe erhält – vorausgesetzt er erfüllt besondere Pflichten (siehe unten).
Eines Tages besuchte der Prophet Allahs einen der Gläubigen. Er wollte sich wegen seines Wohlbefindens bei ihm erkundigen, denn wie es schien war er sehr krank und geschwächt. Allahs Prophet sprach: ‚Betest du oder bittest du ihn (Gott) um Hilfe?‘ Darauf antwortete dieser: ‚Ja! Ich sprach diese Worte: Bestrafe mich jetzt, bevor du (Gott) mir die Strafen im Jenseits aufbürdest.‘ Darauf sprach der Prophet: ‚Lob sei Allah, doch weder hast du die Macht mit dir selbst nachsichtig zu sein, noch die Bürde, Strafen auf dich zu nehmen. Warum sprachest du nicht so: O Allah, gewähre uns Gutes in dieser Welt und Gutes im Jenseits und behüte uns vor den Qualen des Feuers.‘ Nachdem der Heilige Prophet dieses Gebet gesprochen hatte, war der Mann geheilt.
– Muslim ibn Al-Hajjaj
Allahs Prophet sprach: ‚Niemand von euch soll sich nach dem Tode sehnen. Wenn einem schweres Schicksal widerfährt und er sich dennoch nach dem Tode sehnt, soll er sagen: O Allah! Lass mich so lange leben, wie mir mein Leben Gutes gewährt, doch nehme mir das Leben, wenn es für mich besser sei zu sterben.‘
– Sahih al-Bukhari
Neben den Gebetsschriften, die sich auf die Aussagen des Propheten Mohammed (as) beschränken, wurden auch nach seiner Zeit persönliche Gebete islamischer Heiliger aufgezeichnet. Unter ihnen wäre etwa zu nennen Scheikh Al-Schadhili (1196-1258), Verfasser des Seefahrergebets Hizb Al-Bahr: „Die Litanei des Meeres“. Auch die Weisheitssprüche (Hikam) des Ibn Ata Allah (gest. 1309) sind eine Sammlung trostvoller Worte, die in der gesamten islamischen Welt gelesen werden.
Die Gebetssammlung Dala’il Al-Khayrat
Eines der wichtigsten Gebetshandbücher verfasste im 15. Jhd. Mohammed ibn Suleyman Al-Jazuli von Marrakesch (gest. 1465): das Dala’il Al-Khayrat – „Wegmarken der Wohltat“. Er entstammte einer Berber-Familie aus dem Süden Marokkos und wurde später als Scheikh des Schadhiliya Sufi-Ordens, zu einem der bedeutendsten Islam-Gelehrten Nordafrikas.
Eine Legende erzählt, wie er eines morgens an seinen Brunnen ging, um dort für das Morgengebet Wasser zu schöpfen. Doch er kein Behältnis, dass er hätte dafür verwenden könnte, war irritiert und wusste sich nicht zu helfen. An einem hoch gelegenen Ort stand ein Mädchen, dass ihn beobachtete. In seiner Verwunderung rief es ihm von dort aus zu:
Nun bist du doch jener, den die Menschen wegen seines großen Wissens und seiner Wundertaten so sehr verehren, doch du schaffst es nicht dir Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen?
Kurz darauf kam sie zu ihm an den Brunnen. Sie spuckte ins Wasser, dass plötzlich geheimnisvoll zu sprudeln begann und langsam anstieg. Es schwoll immer weiter an, bis es über den Brunnenrand hinaus, über den gesamten Hof strömte. Nun konnte Al-Jazuli also seine rituelle Waschung vollziehen. Doch verwundert wandte er sich dem Mädchen zu und fragte:
Ich bschwöre dich, bitte verrate mir wie du so eine hohe Stufe der Vervollkommung erreicht hast?
Sie aber sprach:
In dem ich Segnungen über jenen aussprach, dem die Tiere treu folgten, als er durch die Wildnis ging.
Inhalt des Dala’il Al-Khayrat
Al-Jazuli half mit seinem besonderen Gebetbuch Gläubigen über Schwierigkeiten im Leben hinweg. Wegen der Schönheit und spirituellen Kraft seines Buches, sammelten sich tausende Anhänger um Al-Jazuli. Ganz Marokko schien damals unter dem magischen Einfluss des Dala’il Al-Khayrat gestanden zu haben.
Kernpunkte der in diesem Buch enthaltenen Gebetslehren, sind Segnenswünsche auf den Propheten Mohammed (as), wie auch die damit verbundene Liebe an Allah und seinen Gesandten. Auch finden sich darin Anleitungen zur Auslöschung des niederen Selbst und der damit einhergehenden Triebhaftigkeit.
Diese Schrift beginnt mit den Lobpreisungen Allahs und seines Gesandten Propheten Mohammed (as). Besonders Mohammed, wird darin als der Diener Allahs gepriesen. Es zielt ab auf die Hoffnung eines Betenden, dass die Wirkungen beim Rezitieren dieser Verse auch auf den Rezitator übergehen und ihm damit zu Geduld, Kraft und gutem Denken verholfen wird:
- Astaghfir ullah: Allah, vergib mir (dreimal).
- Subhan Allah wa Alhamdu lillah: Gepriesen sei Allah und Dank sei Allah (dreimal).
- Aus Sure 3:173: Uns genügt Allah, und er ist der beste Anwalt! (dreimal).
- Dem folgen die Rezitationen der Suren Al-Ichlas (dreimal), Al-Falaq (einmal) und An-Nas (einmal).
- Darauf wird die Sure Al-Fatiha rezitiert und außerdem die ersten vier Verse der 2. Sure Al-Baqara.
- Nun folgt die Litanei der 99 Namen Allahs (Asma Al-Husna).
Abschließend wird auf das Wesen des Menschseins und sein Verhältnis zu Gott näher eingegangen, sowie ausführlich die Wirkungen des Gebets beschrieben. Schließlich endet Al-Jazulis Litanei mit einer Aufforderung, sich in Not immer dieser Schrift zuzuwenden:
Wenn du spürst, wie deine Triebseele (Nafs) dich zu beherrschen begehrt,
Und dich ins Feuer der Begierden drängt,
So banne dieses Begehren ganz hartnäckig durch das Gebet,
Insbesondere mit dem Dala’il Al-Khayrat.
Halte fest am Dala’il Al-Khayrat,
Und klammere dich an seine Rezitation, so wirst du erhalten was du wünschst.
Lichtglanz geht von ihm aus,
O Bruder, darum lass nicht davon ab!
– Aus dem Dala’il al-Khayrat
Voraussetzungen für die Erfüllung der Duas
O ihr Gesandten, esset von den reinen Dingen und tut Gutes. Wahrlich, ich weiß recht wohl, was ihr tut.
– Sure 23:51
Damit ein Dua von Allah angenommen wird, sagen die islamischen Weisen, sollten Gläubige diese Bedingungen erfüllen:
- Immer nur gute Absichten haben (Sure 7:47, 7:89),
- dabei stets aufrichtig denken, sprechen und handeln,
- geduldig mit dem sein, was einem das Schicksal vorhält (Suren 2:250, 7:126),
- rein sein im Geiste,
- im Herzen und
- sich um die rituelle Reinheit des Körper sorgen.
Das sind die allgemeinen Eigenschaften, die ein Gläubiger braucht, damit seine Gebete erhört werden.
Wege sich Gott zu nähern
Im Islam gibt es im Kontext der Dua, aber auch noch die besondere religiöse Praxis der Mittlerschaft: die Tawassul. Sie hilft in ihren verschiedenen Formen einem Menschen, sich Gott besser annähern zu können.
Mittler können dabei islamische Heilige sein oder auch der Scheikh eines Sufi-Ordens. Sogar die Grabstätten verstorbener Sufi-Heiliger, können jemandem bei der Annäherung an Gott helfen. Daher die Tradition des Pilgertums im Sufismus. Man denke etwa an die vielen tausend Gläubigen, die jedes Jahr ins indische Ajmer strömen, zum Mausoleum des Sufi-Heiligen Muinuddin Chishti (1141-1230) oder ins türkische Konya, wo sich die Grabstätte des berühmten Sufi Dschalaladdin Rumi (1207-1273) befindet.
Besonder die 99 Heiligen Namen Allahs eignen sich, um sich Allah zu nähern, bilden sie doch Synonyme für sein universales Wesen.
Doch auch Bitten an Verwandte oder Freunde, dass sie ein Dua für einen Menschen in Not sprechen sollen, zählen zu den Tawassul. So ein Bittgebet etwa, kann dann lauten:
O Allah, ich bitte dich darum (Sache oder Zustand), um der Liebe zu Mohammeds (as) Willen.
Eine bekannte Überlieferung zu diesem Thema handelt von einem blinden Mann:
Ein blinder Mann kam zum Propheten Mohammed und sagte: ‚Meine Augen sind von einer Krankheit befallen, darum bete zu Allah für mich.‘ Der Prophet Mohammed antwortete: ‚Geh und vollführe die rituelle Waschung, bete zwei Rekat (Niederwerfungen) und sage dann: O Allah, ich bitte Dich, wende mich an Dich durch Deinen Propheten Mohammed, den Propheten der Barmherzigkeit. O Mohammed, ich erbitte deine Fürsprache bei meinem Herrn, dass er mir mein Augenlicht wiedergebe.‘ Und er fügte hinzu: ‚Und wenn ihr einer Sache bedürft, so tut das Gleiche.‘
– Al-Tirmidhi
Bittgebete eines Gläubigen
Grundsätzlich kann jeder Mensch ein Dua beten, denn es werden keine intellektuellen Anforderungen an die Bittgebene eines Gläubigen gestellt. Er öffnet dabei empfangend die Hände gen Himmel, spricht sein Dua und beendet es mit der Sure Al-Fatiha. Danach streift er mit den Handflächen über sein Gesicht.
Es gibt jedoch zwei Arten von Duas:
- Religiöse Duas sind Bitten um Festigung des Glaubens (Sure 3:8, 3:193), um Weisheit (Sure 2:129) oder für die Vergebung der Sünden (Suren 2:286, 3:16, 3:147, 14:41).
- Im Ausrichten weltlicher Duas, liegt der Wunsch nach Wohlstand (Sure 5:114), nach Gesundheit (Sure 2:201), einem Ehepartner oder Kindersegen (Suren 2:128, 25:74).
Alle nur erdenklichen Lebenssituationen, werden aber bereits in den Versen der 114. Suren des Koran angesprochen. Daher ist es unter vielen Muslimen auch üblich, bestimmte Verse daraus zu rezitieren und die eigenen Bitten und Wünsche, damit an Allah zu richten.
Aus der Sure Al-Baqara
Eine der wohl wichtigsten Verse, die auf das Wesen des Dua hindeutet, ist der 216. Vers der Sure Al-Baqara:
mag sein, dass euch etwas zuwider ist, während es aber gut für euch ist. Und es mag sein, dass euch etwas lieb ist, während es euch aber schadet. Allah weiß, doch ihr wisset nicht.
– Sure 2:216
Dieser Vers eigentlich, stellt jedem Menschen den Wunsch frei ein Bittgebet zu äußern. Es ist ein Hinweis für Gläubige, dass Manches, besonders die unangenehmen Dinge, durchaus einen höheren Sinn erfüllen, sich ihm aber erst später als solche zu erkennen geben.
Die letzten beiden Verse der Sure Al-Baqara zu rezitieren, helfen dem Betenden sich gegen allerhand schädliche und üble Einflüsse zu schützen:
Der Prophet glaubt an das, was ihm sein Herr offenbarte, und ebenso die Gläubigen. Alle glauben an Allah, seine Engel, seine Bücher und seine Propheten. Wir machen keinen Unterschied bei einem seiner Propheten. Und sie sagen: ‚Wir hören und gehorchen. Gewähre Vergebung, unser Herr! Und zu Dir führt der Lebensweg.‘
Allah verpflichtet niemanden mit etwas außer dem, wozu er in der Lage ist. Ihm gereicht zum Vorteil, was er erworben hat, und ihm gereicht zum Schaden, was er begangen hat. ‚Unser Herr, belange uns nicht, wenn wir vergessen oder einen Fehler begehen. Unser Herr, lege uns keine Bürde auf, wie Du sie denjenigen vor uns auferlegt hast. Unser Herr, bürde uns nichts auf, wozu wir keine Kraft haben. Verzeihe uns, vergib uns und erbarme Dich unser! Du bist unser Schutzherr, so unterstütze uns gegen die ungläubigen Menschen!
Auch in vielen anderen Versen des Heiligen Korans, liest man die Aufforderung „Sprich!“. Was ihr folgt, ließe sich in vielen Fällen ebenfalls als Dua verwenden.
Sprich: Er ist mein Herr; kein Gott ist da außer ihm. In ihn setze ich mein Vertrauen und zu ihm werde ich heimkehren.
– Sure 13:30
Der Thron Gottes
In zwei Suren, Al-Baqara (Die Kuh) und At-Tauba (Die Umkehr), findet Erwähnung der Thron Gottes (vergl. Merkaba).
Sure 2:255 ist der Thronvers – „Ayat Al-Kursi“. Ihm werden große geistige und physische Schutzkräfte zugesprochen. Daher rezitieren ihn Muslime, wenn sie sich auf eine Reise begeben. Denn wer ihn spricht bestätigt damit Allahs universale Größe.
Allah, kein Gott ist da außer ihm, dem Lebendigen, dem Ewigen. Ihn ergreift weder Schlummer noch Schlaf. Ihm gehört, was in den Himmeln und was auf der Erde ist. Wer ist es, der bei Ihm Fürsprache einlegen kann, es sei denn mit seiner Erlaubnis? Er weiß, was vor ihnen und was hinter ihnen liegt. Sie aber begreifen nichts von seinem Wissen, es sei denn das, was er wünscht. Sein Thron umfaßt die Himmel und die Erde, und ihre Behütung beschwert ihn nicht. Und er ist der Hohe, der Allmächtige.
– Sure 2:255
Auch die letzten beiden Verse der Sure At-Tauba, dem anderen Thronvers, seien hier mit angeführt, denn ihre Rezitation vollbringt im Betenden ein tiefes Vertrauen in Allah – besonders wenn er sich in Not befindet:
Wahrlich ist nunmehr ein Gesandter aus eurer Mitte zu euch gekommen. Es schmerzt ihn sehr, wenn ihr in Bedrängnis seid. Er ist eifrig um euer Wohl bemüht, zu den Gläubigen gnadenvoll und barmherzig. Doch wenn sie sich abkehren, so sprich: Allah allein soll mir genügen. Es gibt keinen Gott außer Ihm. Auf ihn vertraue ich, und er ist der Herr des gewaltigen Throns.
– Sure 9:128f
Aus der Sure Al-Haschr
Wer die letzten drei Verse der Sure Al-Haschr rezitiert, dem sendet Allah 70000 Engel, die ihm Gnade und Segen spenden.
Er ist Allah, außer dem es keinen Gott gibt. Er kennt das Unsichtbare und das Sichtbare. Er ist der Gnädige, der Barmherzige.
Er ist Allah, außer dem es keinen Gott gibt. Er ist der König, der Heilige, der Eigner des Friedens, der Gewährer der Sicherheit, der Beschützer, der Allmächtige, der Verbesserer, der Majestätische. Nichts kommt ihm gleich!
Er ist Allah, der Schöpfer, der Bildner, der Gestalter. Seine Namen sind die schönsten. Alles, was in den Himmeln und auf Erden ist, preist ihn, und er ist der Allmächtige, der Allweise.
Dua bei Sorgen
O Lebendiger, O Selbstexistierender, durch deine Gnade: hilf mir!
Dua gegen Wut
Ich suche Zuflucht bei Allah vor den Übeln des Satans.
Dua bei Krankheit
O Allah, Herr der Menschheit, nimm hinweg allen Schaden. Lass Heilung über mich kommen, bist du doch der alles heilt. Keine Heilung außer deiner. Gesundheit, frei von Gebrechen.
Dua beim Krankenbesuch
Kein Grund zur Sorge. Denn Krankheit nimmt die Übel hinfort, wenn Allah will.
Dhikr der heiligen Worte
Abschließend sei auf eine wichtige Sufi-Praxis hingewiesen. Sie vermag jeder Gläubige zu vollziehen, sobald er oder sie ihre Bedeutung erkannte. Es geht dabei um die stille oder laute Rezitation dieser heiligen Worte:
- Subhan Allah – Gepriesen sei Allah,
- Alhamdu lillah – Dank sei Allah,
- La illaha illa Allah – Es gibt keinen Gott außer Allah und
- Allahu Akbar – Allah ist der Größte.
In Zeilen des folgenden Hadith, soll der Prophet Mohammed (as) folgendes gesagt haben:
Wer morgens und abends hundertmal Subhan Allah sagt, dem käme Segen zu als hätte er hundert Pilgerfahrten verrichtet. Wer morgens und abends hundert mal Alhamdu lillah sagt, ist, als ob er hundert berittene Pferde für den Weg Allahs bereitgestellt und geschickt hat. Wer morgens und abends hundertmal La illaha illa Allah sagt, ist als ob er hundert Sklaven der Söhne Ismails befreit hätte. Wer morgens und abends hundert mal Allahu Akbar sagt, wird am Tag des Jüngsten Gerichts niemand bleiben, der mehr gute Taten vollbrachte als jener, es sei denn dieser hätte Allahu Akbar noch häufiger gesagt.
– Al-Tirmidhi