Viele Menschen wissen von der Verehrung besonderer, manchmal mythischer Pflanzen, die auch zu Sinnbildern wurden für spirituelle Lehrer, heilige Objekte oder Gottheiten. Davon ist die Rede in den Schriften der Religionen der Welt: Alte Bäume, um die man sich versammelt, Duft und Farben besonderer Blüten oder Beeren, denen auch heilende Kräfte zugesprochen werden.
Was uns aus den alten Kulten der Menschheit zuerst nur mündlich überliefert wurde, ist, dass man heilige Pflanzen verwendete, zur Herstellung von Heiltränken, die man wie ein Sakrament bereitete – in besonderen, von Weihegesängen begleiteten Zeremonien. Da wäre etwa das aus alten religiösen iranisch-indischen Kulten hergestellte Soma (auch Haoma genannt), das den Persern als Trank des gleichnamigen Gottes galt. Dieser Gott nämlich, so glaubte man, verkörperte sich als eine Pflanze die nur in den Gebirgen des iranischen Zagros zu finden ist (wahrscheinlich die Steppenraute (Peganum Harmala).
So glaubte man etwa im alten Persien, dass sich der darin personifizierte Gott den Menschen opfert, indem er sich von ihm zerquetschen lässt. Daher auch sein Name „Soma“, der abgeleitet ist aus dem proto-indo-iranischen „Sauma“, dem ausgepressten Saft dieser Pflanze. Ein Mensch, der diesen Saft als Trank einnahm, in dessen Körper lebte der Gott Soma wieder auf, um ihm dabei seine göttliche Weisheit zu offenbaren.
Dieser uralte Kult um die Soma-Pflanze verbreitete seine Wirkungen in den Völkern des Nordirans und Nordindiens über Jahrtausende hinweg, wo er schließlich auch die Anbetungen der indo-iranischen Arier und damit der alten germanischen Völker inspirieren sollte. Was da heilig war, das sollte auch zum Heil eines Menschen beitragen, ihn gesund machen und heilen.
Ein Weltenbaum namens Yggdrasil
Bei den alten Völkern des hohen Nordens war die Kultidee eines Weltenbaumes verbreitet, dessen Wurzeln in die Unterwelt hinabreichen und dessen Wipfel zum Himmel emporwächst, so dass der dazwischen liegende, stützende Stamm den Weltenpol bildet.
In der nordischen Mythologie nennt man diesen Weltenbaum „Yggdrasil“, was der Name einer „universalen Esche“ ist, die den gesamten Kosmos symbolisiert. Ihre Äste bilden die Wolken eines heiligen Himmels, wo die Früchte dieses Weltenbaumes Sterne und Galaxien im Weltall bilden.
Die uralte Überlieferung von der Weltesche Yggdrasil wurde in dem, im 13. Jahrhundert in Island verfassten Werk mit dem Titel „Edda“ beschrieben. In vieler Hinsicht ähnelt Yggdrasil darin, ja ist eigentlich identisch mit jenem Baum der Hesperiden (aus der Sagenfamilie der Nymphen) des griechischen Mythos. Dort werden die Nymphen mit der Esche in Verbindung gebracht.
Die „verrückte Pflanze“
Im Europa der alten Kelten gab es das Bellenium, ein schwarzes Kraut das als Narkotikum und krampflösendes Mittel bis heute in der Volksheilkunde eine Rolle spielt: Hyoscyamus Niger – das Schwarze Bilsenkraut. Wegen seiner aber auch halluzinogenen Wirkung, schrieb man dieser Pflanze magische Kräfte zu, die demjenigen, der davon aß, wundersame Fähigkeiten verlieh, die ihn zur Vision und Halluzination befähigten. Daher nannte man das Bilsenkraut die „Verrückte Pflanze“, da sie das Bewusstsein eines Menschen zu verrücken scheint.
Auch in Shakespears „Hamlet“ ist die Rede von diesem Kraut:
Da ich im Garten schlief
Beschlich dein Oheim meine sich’re Stunde
Mit Saft verfluchten Bilsenkrauts im Fläschchen
Und träufelt’ in den Eingang meines Ohres
Das schwärende Getränk!

Mythischer Weißdorn
Vom Weißdorn, einem in Europa weit verbreiteten Rosengewächs, heißt es, dass aus seiner Kraft böse Geister abgewehrt werden können. In der römischen Antike war er dem doppelgesichtigen Gott Ianus heilig (von dem der Januar seinen Namen erhielt, wo Janus doch zwischen den Jahren sowohl in die Vergangenheit wie auch in die Zukunft blickt).
Man stellte in alter Zeit auch die Zweige des Weißdorns in das Fenster der Zimmer in denen Kinder schliefen, um sie vor dem Dämon der blutigen Toten-Eule zu schützen, die nachts ihr grauenvolles Unwesen treibt. Weißdorn wurde eben gedacht als Wohnung der fabelhaften Elfen. Darum verwendete man auch Wiegen aus Weißdornholz, um damit kleine Kinder vor bösen Hexen zu schützen.
In Europa gibt es noch heute den ursprünglich keltischen Brauch, Stofffetzen in die Äste des Weißdorns zu flechten, um damit die Elfen zu guten Taten zu veranlassen.
Der Weißdorn taucht in der keltischen Mythologie auf: In Schottland glaubte man bereits im Mittelalter an die mystischen Kräfte des Weißdorns – er galt als Hüter der Elfenwelt, denn hier konnten die Menschen die Grenzen überwinden und in das Reich der Feen gelangen.
Als eine Variante des Weißdorns gilt der sogenannte „Glastonbury Thorn“, der in der Gegend der südenglischen Kleinstadt Glastonbury zu finden ist – jenem sagenhaften, im Winter noch heute von Nebeln umschweiften Ort, der einst von Sümpfen umgeben, als die mythische Insel Avalon galt. Auf einem in Glastonbury befindlichen Hügel namens „Wearyall Hill“, soll einst ein Anhänger Jesu, Joseph von Arimathäa, der die heiligen Blutstropfen des Christus im Gralskelch aufgefangen haben soll, seinen Wanderstab aus Weißdornholz dort einst in den Boden gestoßen haben. Sofort schlug der Stab dort Wurzeln und wuchs zu einem wundersamen Dornenbaum heran, den man den „Holy Thorn“ nennt: Den Heiligen Dornbusch.
Das Heilige Mistel-Kraut
Seinen Namen hat das Gewächs den Vögeln zu verdanken, die seine Beeren gefressen, dann auf anderen Baumästen sitzend ihren „Mist“ darauf ausscheiden, wo ihre Samen in den Zweig eingedrungen dort eine Mistel wachsen lässt. Die Germanen aber glaubten, dass die Götter die Mistelsamen in die Bäume streuten. Darum verehrten sie die Mistel als ein Geschenk des Himmels.
Die Verehrung der Kelten des Mistelgewächses und seine kultische Nutzung durch die Druiden beschreibt der römische Gelehrte Plinius der Ältere (24-79 n. Chr.) ganz ausführlich im 16. und 24. Buch seiner Naturalis Historia. In seiner Zeit, so Plinius, suchten die keltischen Hohepriester der Druiden nach Misteln die auf Eichen wuchsen. Mit großer Feierlichkeit stieg man auf zu dem Ast des Baumes und schnitt das Mistel-Gewächs so, dass seine Zweige in eine dafür vorgesehene Schale fielen – denn die Mistel mit den Händen zu berühren, galt als „Sünde“.
Sie wurde verehrt, als heiliges Fruchtbarkeitssymbol immerwährenden Lebens. Das wohl deshalb, da bei den Druiden die Mistel als Medizin zur Anwendung kam – die die Kraft besaß Geschwüre zu erweichen, Epilepsie zu heilen oder kamen zur Anwendung bei der Empfängnis. Es war eine Heildroge, von der man die getrockneten jungen Zweige mit Blättern, Blüten und Beeren verwendete.
Aber auch der berühmte griechische Arzt Hippokrates von Kos (490-370 v. Chr.) verwendete die Mistel als Heilpflanze gegen Milzsucht. Die deutsche Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179) verwendete ein Gemisch der gepulverten Pflanzenteile der Birnbaum-Mistel mit ebenso viel Süßholz vermischt, zur Behandlung von Schmerzen im Brustkorb und in der Lunge.
Bis heute konnte die Mistel ihre heilende, rituelle Funktion in Bräuchen erhalten. In England hängt man Mistelzweige in der Weihnachtszeit über Türen auf. Eine junge Frau die sich darunter befindet, darf auf der Stelle geküsst werden. Auch in Frankreich küssen sich unter Misteln die Verwandten zu Neujahr. Man sagt auf Französisch:
Au gui, l’an neuf.
Mit der Mistel kommt das Neujahr.
Pflanzen Griechischer Götter
Die mächtige Eiche war der Baum des Blitze schmetternden Himmelsvaters Zeus, zumal der Blitz am häufigsten in dieselbe einschlägt. Ein anderer Unsterblicher vom Olymp, ist Ares, der Gott des schrecklichen Blutbads. Sein Baum ist die Esche, lieferte sie den Kriegern Alt-Griechenlands doch das Holz für ihre Lanzenschäfte.
Heilig war der Lorbeer dem Apollon, denn seine geliebte Nymphe Daphne (der der Lorbeer seinen griechischen Namen verdankt) hatte sich in ihn verwandelt, als er sie verfolgte. Aber auch die Palme auf Delos spielte für den Apollon eine Rolle, wurden er und seine Schwester Artemis doch unter diesem Baum geboren.
Die weise Göttin Pallas Athene erschuf den heiligen Ölbaum (Olivenbaum), und zwar in einem Streit mit Poseidon, dem Gott des Meeres. Zeus hatte beiden vorgeschlagen ihren Streit beizulegen, indem jeder von den zwei Göttern etwas erschuf, das dem attischen Volke den größeren Nutzen versprach. Poseidon haute seinen Dreizack in einen Felsen, worauf das Wasser einer Quelle daraus entsprang. Doch den Menschen Attikas galt das Olivenöl weit mehr.
Der Lotus der Alten Ägypter
Ein wichtiges Sinnbild für das Heilige, war im Alten Ägypten der Lotus. Denn auf sakralen Darstellungen, sieht man ein Kind auf einem seiner Blütenblätter sitzen, was die Geburt des Sonnengottes symbolisiert. Zu Beginn der Weltenschöpfung kam der Sonnengott also in einer Lotusblüte zur Welt, die aus Nun (dem Urozean) erblüht war. Und da die Sonne jeden Morgen aufgeht, galt ihnen der Lotus als Symbol der ewigen Wiederkehr des Lichts und des Lebens.
In der Zeit der Ptolemäer war ein weit verbreitetes Motiv, in der Sakralkunst Ägyptens, eben solch ein Götterkind auf einer Lotosblüte sitzend abzubilden: Der ägyptische Lichtgott Horus, den die Griechen Harpokrates nannten.
Bei den Alten Ägyptern aber schienen Geburt neuen Lebens und der Tod nahe beieinander zu liegen. So findet man zum Beispiel in den Sprüchen des Ägyptischen Totenbuches, dass ein Verstorbener die Gestalt einer Lotusblüte annehmen kann:
Ich bin jene reine Lotusblüte, die hervorging aus dem Lichtglanz, die an der Nase des Re (Sonnengott) ist. Ich verbringe meine Zeit und messe sie zu dem Horus. Ich bin die reine (Blüte), die hervorging aus dem Feld.
– Ägyptisches Totenbuch, Spruch 81 A
Da also sowohl Geburt und Tod ihrer Bedeutung nach im Ägyptischen Totenbuch im selben Kontext genannt werden, ließe sich daraus herleiten, dass damit das Symbol der Verwandlung eines Menschen in eine Lotusblüte, seine Hoffnung auf Wiedergeburt meint.

Aus dem irdischen Paradies zwischen Euphrat und Tigris
Auf einem assyrischen Zylinder-Fragment aus dem Urartäischen Reich (etwa 9. Jahrhundert v. Chr., Kleinasien) findet sich die Darstellung eines heiligen Baumes, der dem biblischen Baum des Lebens im Paradies entspricht, den zwei englische Cherubim umgeben. Sie kann in gewisser Weise aber auch als ein Urbild der biblischen Erzählung vom Baum der Erkenntnis von Gutem und Bösem gesehen werden (siehe Titelbild). Die zwei Gestalten, die zu beiden Seiten eines anscheinend heiligen Baumes erscheinen, greifen nach den Früchten desselben. Auf der linken Seite des Bildes, gleich hinter der Frau, ist eine Schlange zu sehen, die man leicht als jene aus dem Paradies deuten könnte.
Vom Tempelbaum und anderen Heiligen Pflanzen der Inder
Bewegen wir uns weiter Richtung Fernost, begegnen uns solch heilige Bäume auch in Indien. So galt schon in alter Zeit dem Brahmanen der Banyan (Ficus Indica) oder „Indischer Feigenbaum“ als heilig. Wegen der besonderen Weise seines Wachstums wird er auch „Tempelbaum“ genannt.
Seine Samen scheinen, wie vom Himmel gefallen, auf die Äste andrer Bäume zu fallen, um dort zu keinem, so dass diese dann von deren Stämmen, als quasi von ihrer „Luftwurzel“ aus, zur Erde hinunter wachsen und allmählich einen weit ausgebreiteten Säulenwald bilden. Daher die Bezeichnung des baumartigen Banyan-Gewächses als Tempelbaum.
Auch eine anderer Baum dieser Familie ist in Indien den Hindus heilig: Ashvattha – die „Heilige Feige“ (Ficus Religiosa), wie bereits im alten Rigveda zu lesen ist:
Zwei miteinander verbundene Vögel und gemeinsame Freunde suchen Zuflucht auf demselben Baum; einer von ihnen isst die süße Feige; der andere, der auf Nahrung verzichtet, schaut nur zu.
– Rigveda 1:164:20
In Darstellungen des indischen Schöpfergottes Brahma, findet man ihn häufig auf dem schwimmenden Blatt des besagten Banyan-Baumes ruhend, während aus seinem Nabel eine Lotosblume hervortritt, auf der Vishnu sitz, der indische Gott der Erhaltung der Welt (der sich zehnmal verkörpert, wie in der Vergangenheit als Avatar Krishna oder zuletzt als der Buddha).

Der Sternlotus (Nymphaea Stellata) ist ein anderes Symbol für Brahma, denn in seinem Blütenkelch sehen die Inder Yoni (weibliches Genital) und Lingam (männliches Genital) verkörpert und damit die wichtigsten Symbole aller Schöpfung.
Der Buddha-Baum
Mit dem Buddhismus hat sich die Verehrung des Lotus als heilige Pflanze bis nach Ostasien ausgebreitet. Viele alt-japanische Gottheiten werden als in einem Lotus-Kelch stehend oder sitzend dargestellt.
Im Buddhismus gibt es dann noch die „Ficus Religiosa“, die Pappel-Feige. Da nennt man sie den „Bodhi-Baum“, worunter sitzend, in der indischen Stadt Bodhgaya, der Gautama Buddha vor langer Zeit seine Erleuchtung erfuhr. Bis heute ist dieser Feigen-Baum in der buddhistischen Kunst ein Symbol für den Buddha.
In Tibet erfreut sich ein anderer Baum des Buddha großer Verehrung: der Syringa Villosa. Fromme Pilger sehen in seinen Ringen und auf seinen Blättern, buddhistische Formeln und Abbildungen des Buddha.
Ein Psychedelischer Kaktus
Schon im Alten Mexiko kosteten die Tlatoque, die aztekischen Priesterkönige, vom Peyote-Kaktus, um in einem damit einhergehenden heiligen Zeremoniell, orakelhafte Erscheinungen zu empfangen. Darum wurde der Peyote als Gottheit verehrt. Durch die in seinem Pflanzensaft wirkenden, psychotropen Substanzen (vor allem das Alkaloid Meskalin), erhielten die Tlatoque besondere Eingebungen, die man sich jedoch nicht als rauschhafte Halluzination vorstellen darf. Vielmehr eröffneten sich ihnen die heiligen Tore ihres Geistes, durch die sie in eine vollkommen objektive Bewusstheit gelangten.
Schon in der Zeit um 200 v. Chr. verwendeten die Schamanen Alt-Mexikos diesen Kaktus, was Abbildungen auf Funden von Tonwaren, Textilien, Grabfiguren und Felszeichnungen belegen. Sie aßen vom Peyote, um in einen Zustand zu kommen, der sie in die Lage versetzte Hunger, Durst oder Ermüdung leichter zu ertragen. Vor allen Dingen aber wurde diese Pflanze zur Anwendung bei der Heilung von Krankheiten verwendet sowie für eine Befähigung zur Hellsichtigkeit.
Im 20. Jahrhundert wurde die Wirkung des im Peyote enthaltenen Meskalin, dann zum Beispiel von dem Anthropologen Carlos Castaneda (1925-1998) ausführlich erforscht, wie er in seinem autobiografischen Roman „Reise nach Ixtlan“ beschreibt, wo ihn der toltekische Schamane Don Juan Matus in die heilkräftigen Geheimnisse des Peyote „einweiht“.
Die Pflanzen die sich dem Menschen „hingeben“
Wenn wir oben vom Gott Soma sprachen, der sich dem Menschen hingebend, von ihm verzehrt, sich zu seinem Wohlbefinden in seinem Körper ausbreitet, wurde damit bereits schon angedeutet, was die Pflanzen auf der Erde für uns sind.
Pflanzen liefern uns den Sauerstoff zum Atmen und absorbieren das Kohlendioxid das wir ausatmen. Wir essen sie und was wir ausscheiden wird wieder zu neuer Erde. Wir leben in einer Symbiose mit der Pflanzenwelt.
Vor allem aber lieferten die Pflanzen den Menschen schon immer Nahrung, Heilmittel oder Baumaterialien. So also hätten hier sicherlich noch unzählige weitere heilige Pflanzen mit erwähnt werden können, wie etwa der Apfel, der Weizen, der Wein oder die Rose.
Die Pflanzen sind für uns da, weshalb die Schamanen Nordamerikas sagen, sie seien unsere Eltern. Wenn das so bleiben soll, so müssten wir schon heute beginnen, uns näher mit ihnen zu befassen. Denn sie sind Leben und haben nicht nur ein Recht darauf, sondern bilden für uns die wichtigste Grundlage, um auf unserem Planeten Erde zu überleben, und hier ein gesundes und gutes Dasein zu verbringen.