Um das Jahr 1485 begab sich ein 16-jähriger Junge auf eine Reise. Sein Ziel war die Stadt Sultanpur Lodhi, im indischen Bundesstaat Punjab, dem Land der fünf Flüsse. Dieser junge Mann hieß Nanak und sollte dereinst Gründer einer neuen Religion sein.
Dort im Punjab lebte er für 14 Jahre in der Nähe eines heiligen Baches mit dem Namen Kali Bein. Durch seine liebenswürdige Art wurde er schnell stadtbekannt und hatte viele Freunde. Jeden Morgen, noch vor Sonnenaufgang, begab er sich an dieses kleine Flüsschen, um dort seine rituelle Waschung zu vollziehen. Da begleitete ihn der Barde Mardanas, ein guter Freund – einer der ihn sein ganzes Leben über begleitet hatte.
Eines Tages aber stürzte der junge Nanak in den heiligen Kali Bein, ohne wieder aufzutauchen. Sein Freund Mardana wartete ihn zu finden, doch ohne Erfolg. Geduldig wie er war, aber wartete er dort an dem Gewässer. Von Nanak aber blieb keine Spur. War er tatsächlich in dem niedrigen Wasser ertrunken und fortgespült worden?
Mardana wusste nicht was er tun sollte und eilte nach Sultanpur Lodhi, um dort jemanden zu finden, der ihm bei der Suche nach Nanak behilflich sein könnte. Jene, die mit ihm zu Kali Bein kamen, vermuteten wie auch er selbst, dass der junge Nanak darin ertrunken sei.
Nun war da ein Mann namens Nawab Daulat Khan, Gouverneur von Jalandhar Doab, dem Land der zwei Ströme im Punjab. Für ihn hatte Nanak lange Zeit gearbeitet. Als er vom Verschwinden seines getreuen Mitarbeiters erfuhr, sandte er Fischer aus, die ihre Netze in dem Bach auswerfen sollten, um so den Leichnahm Nanaks zu finden. Doch alle Bemühungen schlugen fehl.
Wiederkehr als Erleuchteter
Nach vier Tagen dann, tauchte Nanak plötzlich wieder auf in Sultanpur Lodhi. Alle freuten sich und auch der Khan von Jalandhar Doab war über die frohe Botschaft sehr erleichtert. Nanak aber war nicht mehr der Selbe. Er hatte sich vollkommen gewandelt. Wer ihn ansah wunderte sich ehrfürchtig, denn von seinem Gesicht schien ein eigenartiges Strahlen auszugehen. Auch schien es, als verbrächte er die ganze Zeit tief im Geiste versunken.
Als sich die Nachricht von Nanaks Rückkehr verbreitete, drängten sich seine Freunde und auch andere um ihn, die über sein wundersames Verschwinden und Auftauchen erfahren hatten. Da fragten sie ihn:
Wo warst Du gewesen?
Nanak aber blieb stumm. Man wusste, dass er viele Tage unter Wasser verbracht haben musste und es kam manchen so vor, als hätte er darum seinen Verstand verloren. Nanak nämlich reagierte nicht ein einziges Mal auf all das viele Fragen seiner Freunde.
Es verging ein weiterer Tag und plötzlich hörte man ihn sagen:
Es gibt keinen Hindu, es gibt keinen Muslim.
Das war alles. Doch er wiederholte diese Aussage immer und immer wieder.
Das Khanda-Emblem der Sikh: Vier stilisierte Waffen, die gleichzeitig religiöse Symbole sind:
1. Ein zweischneidiges Schwert, dass sich in der Mitte des Symbols befindet und Namensgeber des Khanda ist. Das zweischneidige Schwert trennt das Gute vom Bösen.
2. Der Chakar ist ein mittelalterlicher, indischer Wurfring, der auf dem Schwert des Khanda liegt. Er repräsentiert den unendlichen Gott, der keinen Anfang und der kein Ende hat.
3. Die zwei Säbel außen, das sind die Kirpans: Piri und Miri. Sie legen sich links und rechts um die Konstruktion aus Khanda und Chakar, und symbolisieren die weltliche und die spirituelle Autorität.
Janamsakhi: Die Frohe Botschaft des Guru Nanak
Nanak verbrachte in der Zeit seiner Abwesenheit mit Gott, so der Glaube der Sikh. Da nahm er einen heiligen Becher entgegen, woraus er einen gesegneten Nektar trank. Als er davon gekostet hatte, betraute ihn Gott mit seiner Mission:
O Nanak, ich bin bei dir. Durch dich wird mein Name verherrlicht. Wer dir folgt, den werde ich retten. Geh in die Welt, um zu beten und lehre die Menschheit, wie man betet. Begib Dich nicht auf Abwege, sondern lass dein Leben bestimmen und geprägt sein vom Lobpreis des heiligen Wortes (Naam), von der Nächstenliebe (Daan), von der rituellen Reiheit (Isnaan), vom Dienste (Seva) und vom Gebet (Simran). Nanak! Hiermit gebe ich dir mein Versprechen: Dies lass deine Lebensaufgabe sein.
Nanak war darüber wohl durchaus verwundert, doch ehe er begann darüber nachzudenken, da sprach die geheimnisvolle Stimme erneut zu ihm:
O Nanak, jeden den du segnen wirst, wird gesegnet auch von mir. Wem Du Dein Wohlwollen schenkst, wird auch mein Wohlwollen empfangen. Ich bin der Große Gott, der Höchste Schöpfer. Du bist der Guru, der höchste Guru Gottes.
Gott kleidete Nanak schließlich in ein Ehrengewand. Aus dieser heiligen Umhüllung sollte sich schließlich die Wirklichkeit des Göttlichen übertragen.
Die Einzige Wirklichkeit
In seinem berühmten Ausspruch „Es gibt keinen Hindu, es gibt keinen Muslim“, dachte der Guru Nanak an eine Spiritualität vollkommener Toleranz, wo keiner gegen irgend einen seiner Mitmenschen übel gesinnte Gedanken hegt. Was sich ihm da in seiner Jugend offenbart hatte, als die oben beschriebene Gegenwart Gottes, sollte ihn zu seinem irdischen Auftrag führen. Mit seiner daraus erwachsenen spirituellen und humanistischen Botschaft der Einheit aller Menschen, sollte er in den kommenden Jahrhunderten Millionen von Menschen erreichen.
Wenn Nanak vom „Ek Onkar“ sprach, so beschrieb er damit diese Einheit, als die „Eine Realität“, als einzige Wirklichkeit des Göttlichen. Er erstrebte einen allumfassenden Humanismus zu verbreiten. Darin lag seine göttliche Berufung.
Wenige Zeit nach seinem Erleuchtungserlebnis im Jahr 1499, trat Guru Nanak vier wichtige Reisen an – für ihn selbst und für die Gründung seiner neuen Religion – die sogenannten „Udasis“. Zu Fuß begab er sich in einem Zeitraum von 21 Jahren auf diese heilige Reise.
Zwischen 1500 und 1506 besuchte er, entsprechend heutiger Geographie, zuerst verschiedene Orte in Indien, Bangladesh und Bhutan.
In den Jahren 1506 bis 1509 wanderte er durch Indien, bis nach Sri Lanka.
Von dort aus dann zurück in den Norden, um dort zwischen 1514 und 1516 Nepal, Tibet (in der heutigen VR China) bis nach Taschkent in Usbekistan.
Seine letzte große Reise führte ihn zwischen 1518 und 1521 über Pakistan nach Saudi-Arabien (dort nach Mekka), nach Ägypten (Cairo) und Israel (Jerusalem). Von dort aus setzte er seine Reise fort durch den Iran (über Teheran), Usbekistan und Afghanistan (Kabul).
Letzte Station seiner Reisen, sollte die durch ihn gegründete Stadt Kartarpur in Pakistan sein, nahe zur heutigen Grenze Indiens.
Prophet einer neuen Religion
Guru Nanaks Leben und seine Lehren, bildeten seine Aktivitäten und Reisen. Er selbst legte die Grundlagen für die Religion des Sikhismus fest, die später durch seine Anhänger weiter befruchtet wurden und so zu immer schönerer Entfaltung kamen. Wer sich näher mit seinen spirituellen Ideen und Vorstellungen beschäftigt, sollte tatsächlich feststellen, dass sie keineswegs aus einem anderen religiösen Milieu seiner Zeit abgeleitet waren, sondern seine Lehren eine ganz ursprüngliche Form besaßen, deren Charakter ein einzigartiges spirituelles System bildete, dass nicht nur mystisch und sondern tatsächlich prophetisch inspiriert war.