Das Schicksal des italienischen Dichters Dante war eng geknüpft an die Wirren des politischen Lebens seiner Heimatstadt Florenz. Dort nämlich wurde er des Staatsbetruges angeklagt und verbannt. Als er in seiner Commedia die Seelen-Läuterung eines Fliehenden durch’s Jenseits beschrieb, ging es ihm auch um seine eigene Reise ins Ungewisse.
Früh schon begann ein regelrechter Kult um den Dichter-Philosophen Dante. Wohl auch deshalb, da über sein Leben nur wenig bekannt ist. Was man über ihn weiß, stützt sich insbesondere auf spätere Quellen.
Dante Alighieri wurde 1265 in Florenz geborenen. Seine Mutter verlor er früh. Die Familie Dantes gehörte zu einem italienischen Adelsgeschlecht, die zwar über Grundbesitz, doch nur über wenig Geld verfügte.
1284 trifft Dante die schöne Bice, die in seinem Epos mit dem Namen Beatrice auftaucht. Sie sollte das große Liebeserlebnis seines Lebens werden. Doch sie heiratete ein Jahr später den Bankier Simone dei Bardi. Schon ein Jahr darauf verstarb sie. Das mag einer der traurigen Anlässe gewesen sein, dass sich Dante dem Studium der Philosophie hingab.
Ende des 13. Jahrhunderts bekleidete Dante hohe Ämter in Florenz. Das war in einer Zeit, wo es zwischen einzelnen italienischen Kommunen und auch innerhalb der Städte, immer wieder zu schweren Konflikten kam.
Damals entstand in Florenz auch das, was man heute Kapitalismus nennt. Fast 100000 Menschen bewegten sich damals täglich durch die Straßen der Metropole – mehr als in Rom oder London. Seit dieser Zeit veränderte sich die Art wie Menschen wirtschaften. Nicht allein das Bedürfnis nach materieller Versorgung zum Überleben spielt einzige Rolle, sondern um die Wende zum 14. Jahrhundert, wirtschaftete man in abstrakteren Kategorien und fragte sich wie sich mehr Gewinn als je zuvor erzielen ließe und aus Finanzkapital neues Geld geschlagen werden kann. Auch Dantes Vater, gehörte zu den florentinischen Bankiers.
Nach dem Sturz der politischen Partei Corsos im Jahr 1302, der auch Dante angehörte, verfolgte man ihn und er wurde aus Florenz vertrieben. Im selben Jahr noch verurteilte man ihn zum Tode, seine Familie wurde enteignet und verblieb zurück in bitterer Armut. Als Verbannter zog er durch Italien und Frankreich, ohne je seine Heimatstadt wiederzusehen. Er starb 1321 in Ravenna.
Dante am Eingang eines dunklen Waldes. Illustration von Gustave Doré (1832-1883).
Wieso Komödie?
Der eigenartige Titel seines Werks, hatte sich erst lange nach seinem Tod, seit dem 16. Jahrhundert eingebürgert. Was sich jedoch Dante unter dem Wort »Komödie« vorstellte, dürfte stark von dem abweichen, was man darunter heute versteht.
Wer sich seinem Werk nähert, das bekanntlich ja zuerst durch einen Abstieg in die Hölle beginnt, dürfte sich womöglich fragen, wieso statt von einer Komödie, nicht von einer Tragödie die Rede ist? Doch wenn Dante es Commedia nannte, ging es ihm eher um eine besondere Reise, die für ihn, mit einem Aufstieg aus der Unterwelt, ins Diesseits bis in den Himmel, eben dem entspricht, was die Alten einen »Singenden Umzug« nannten (zusammengefügt aus dem griech. komos, die »Feier«, und aoidos, der »Sänger«). Denn wer aus Höllenqualen befreit hinauf strebt in die Ränge der Engel, den wird man wohl ganz gewiss in freudigem Gesang, in Freudentanz und in einer beglückten Stimmung antreffen.
Dante verband mit dem Begriff Komödie also ein Erfahren, dass er durch sein inneres, geistiges Sehen, auf seinem Weg von der Hölle, hinauf entlang der Ebenen des Läuterungsberges und schließlich das himmlische Paradies betretend, wohl als immer erfreulicheres Erleben wahrnahm. Divina, das Göttliche, diesen Titelzusatz erhielt Dantes Werk erst durch die Nachwelt.
Eine Reise zu sich selbst
Es geht in der Göttlichen Komödie um eine Reise, die Dante als eigene innere Entwicklung schildert. Sicher aber verband er damit auch eine Belehrung für seine Leser. Das Verfassen seiner Göttlichen Komödie, sollte wohl auch ein Bedürfnis danach stillen, die von Gott erschaffene Welt, in all ihren Erscheinungen, in eine für den Leser fassbare Ordnung zu bringen. Nicht zufällig stellte die Nachwelt Dantes Werk darum als einen totalen Weltentwurf dar, das heißt, jedes beschriebene Detail darin erfüllt seinen Sinn. Was jedoch offen bleibt, ist, ob Dante sich und seinen Lesern der Göttlichen Komödie, letztendlich eine allumfassende Antwort auf die Fragen der Menschheit geben konnte.
Mit Sicherheit aber kleidete er seine Visionen, in die Verse seines opulenten Werkes, auf so gekonnte Weise, dass er auch seinen Lesern ein Gespür zu vermitteln vermochte, das bereits in ihnen eine lebendige Weisheit veranlagt ist.
Doch diese Dichtung bleibt mehr als reine Fiktion. Vielmehr steht Dante damit in der Tradition eines Geisteslebens, dessen Vorstellungen man auch in anderen visionsartigen Schriften des späten Mittelalters findet. Was Dantes Schrift von anderen unterscheidet, ist, dass es ihm wie keinem anderen gelang, einen architektonischen Aufbau der damals bekannten Welt zu formen. Denn sowohl Wissen aus der Antike, wissenschaftliche Erkenntnisse des Mittelalters, wie auch christliche Weisheit, fügen sich in der Göttlichen Komödie zu einem großen Ganzen zusammen.
Das Universum Dantes
Das Bild zeigt die Erde quasi auf den Kopf gestellt.
Ganz unten befindet sich Jerusalem (Nördliche Halbkugel), worüber die Kreise der Hölle anfangen.
Vom Erd-Mittelpunkt aus, führt ein Gang auf die andere Seite der Erde (Südliche Hemisphäre), der sich zum Läuterungsberg hin öffnet.
Auf der höchsten Stufe dieses Berges befindet sich das irdische Paradies.
Die sieben klassischen Himmelskörper bilden das himmlische Paradies, worüber sich die Heimat der Engel im Kristallhimmel befindet. Zu oberst schließlich sieht man die Wohnung der Seligen: das Empyreum – der von göttlichem Licht erfüllte oberste Himmel.
Die lebendige Erdkugel: Prüferin der Menschenseelen
Dante dachte sich die Erde kugelförmig und als eine von einem Meer umflossene Insel, die sich aus zwei Hemisphären zusammenfügt. Das vom griechischen Astrologen und Mathematiker Claudius Ptolemäus (100-160) entwickelte geozentrische Weltbild (Centrum Mundi), galt auch in Dantes Göttlicher Komödie, wo die Erde im Mittelpunkt des Universums steht, umgeben von den konzentrischen Kreisen einer Sternenwelt aus Planeten und Fixsternen.
Auf der nördlichen Halbkugel der Erde, bildet den diesseitigen Mittelpunkt die heilige Stadt Jerusalem. Die andere, südliche Hemisphäre, galt Dante als unbewohnt und vom Wasser des Meeres bedeckt. Inmitten dieses Meeres aber ragt der Berg der Läuterung empor, dessen Abhänge unterteilt sind in sieben Stufen. Auf diesen Ebenen der Läuterung, werden die Seelen von ihren begagnegen Sünden gereinigt. Den Gipfel des Läuterungsberges aber bildet das irdische Paradies. Dorthin gelangt nur, wer im wörtlichen Sinne »durch die Hölle ging«. Sie befindet sich unter der Stadt Jerusalem (interessant ist hier die Parallele zur Legende der Freimaurer, wo der Baumeister Hiram Abiff, vom Jerusalemer Tempelberg, auf außergewöhnliche Weise in die Unterwelt reist, bis zum Mittelpunkt der Erde, dem Wohnort des Brudermörders Kain). Doch Dante kommt ab vom Weg und verirrt sich im Gehölz eines dunklen Waldes, weit westwärts der heiligen Stadt.
Dantes Erde gleicht einem makrokosmischen Organismus, einem planetarischen Lebewesen, dass die auf die Erde kommenden Seelen der Menschen, zu Lebzeiten und nach dem Tode bindet, prüft und läutert, doch gemäß ihrem Los, dann irgendwann ins All entlässt. Dabei aber müssen Hölle und Läuterungsberg gar nicht jenseitige Orte sein. Vielmehr leben wir bereits dort – wenn wir all unser Vermögen und unsere Kräfte an das Irdische hängen, wegen Gier, übersteigerter Lust, dem Streben nach Besitz oder Macht.
Wer schlecht handelt, wer böse ist, lebt selbst im Bösen. Zerrissen zwischen Hass und Bedauern, sind alle jene die Zwietracht stiften. Der Verräter, der statt durch Liebe, die Welt mit Gewalt verändern will, verfrachtet sich ins höllische Eis, fernab von allem Geliebtwerden. Wer sich aber von diesen bösen Zielen verabschiedet und sich davon lösen will, dem gelingt vielleicht auch der Aufstieg am Läuterungsberg, wo er sich der Vergänglichkeit und Nichtigkeit all der irdischen Vergnügen und Zwänge bewusst wird. Damit wird es auch wahrscheinlicher, dass er dereinst doch seinen Frieden im Paradies findet.
Dantes dreigeteilte Welt
In der Göttlichen Komödie ist das Jenseits eine dreigeteilte Welt. Überhaupt ist die Zahl Drei in Dantes Epos von zentraler Bedeutung: In sogenannten Terzinen, einer gereimten Gedichtform italienischer Herkunft, besteht jede Strophe aus drei Versen. Drei Jenseitsreiche durchwandern die Seelen der Verstorbenen: die Hölle (Inferno), das Fegefeuer (Purgatorio) und endlich das Paradies (Paradiso). Jeder dieser drei Welten widmete Dante je 33 Gesänge – zusammen also 99 plus einem einleitenden Gesang, so dass es zu einer großen harmonischen und arithmetisch-poetischen Geschlossenheit kommt: 1 + 3 x 33 = 100.
Seine Dichtung der Göttlichen Komödie, beschrieb Dante als eine große Vision, wo er zuerst mit seinen Führer Vergil und später mit Beatrice, die Seelen der Verstorbenen durchs Jenseits begleitete. Die Geistesbilder, die er in diesem Erleben beschreibt, beginnen schauderhaft und hässlich, doch enden mit dem Schönen, Glückseligen und schließlich im Licht von Gottes Gegenwart.
Die im Folgenden verwendete dichterische Übersetzung der Verse aus Dantes Göttlicher Komödie, stammt vom deutschen Schriftsteller Karl Streckfuß (1778-1844).