Irminsul - ewigeweisheit.de

Irminsul: Sinnbild der Weltsäule

Die alten Sachsen verehrten als Heiligtum eine große Säule: Irminsul. Vermutlich ragte sie einst bei den Externsteinen im Teutoburger Wald zum Himmel. In ihr verehrten die sächsischen Germanen den Weltenbaum Yggdrasil. Über der Irminsul beobachtete man den leuchtenden Polarstern. Ihn dachte man sich als kosmischen Nagel, wo die Erde am Himmel befestigt ist.

So ist Irminsul auch ein Symbol der Himmelsstütze, woraus sich später die Vorstellung der Weltachse entwickelte, die Pol und irdisches Weltzentrum miteinander verbindet.

Gemäß theosophischer Weltanschauung, lebte die erste Menschheit, die sogenannten Polarier, einst an diesem, heute ganz und gar unwirtlichen Ort. Wenn man an diesem Mythos ein Fünkchen finden will, kann sich diese Aussage nur bewahrheiten, wenn sich die Erdachse damals in einer anderen Lage befand. Vielleicht stand sie senkrecht, so dass in den Ländern des nördlichen Polarkreises, ein eher frühlingshaftes Klima herrschte (wofür es mittlerweile auch wissenschaftliche Belege gibt; zumindest fand man in der südlichen Polarregion pflanzliche Fossilien, die auf eine einst üppige Vegetation hinweisen, wovon sich ja ableiten ließe, dass ähnliche Verhältnisse auf der anderen Seite der Erdachse herrschten).

Vielleicht verehrte man schon damals jenen Weltenbaum, der später im Wahrzeichen der Irminsul fortleben sollte. Über das alte Hyperboräa (vermutlich das heutige Grönland), verbreitete sich dieses alte Wahrzeichen, später in der gesamten nördlichen Hemissphäre. Noch später verwandelte es sich in jene Wahrzeichen, wie sie uns aus der Symbolik der Sakralbauten anderer Orte bekannt sind. Sei es die Himmelssäule der Externsteine, die Holzsäulen sibirischer Schamanen oder auch die Obelisken, wie sie in Ägypten, Europa und im modernen Amerika zu finden sind.

Die Menschen dichteten der Irminsul den unerreichbaren Himmel bei, in all seiner Rätselhaftigkeit und Schönheit. Der Name setzt sich aus zwei germanischen Begriffen zusammen: Irmin, „groß“ und sul, „Säule“. Allerdings war Irmin ein germanischer Kriegsgott hohen Wuchses, daher „Groß“. In ihm sah man ein himmlisches Lichtwesen, eine Sonderform des germanischen Kriegsgottes Ziu (auch: Tiu) – dem Männlichkeitssymbol schlechthin (die Römer nannten ihn später Mars). Es liegt natürlich nahe, hier sofort eine phallische Symbolik zu assoziieren. Das Lichtwesen Ziu auf jeden Fall, verehrte man in jener ihm geweihten Irmin-Säule.

Die Irminsul bestand wahrscheinlich aus einem riesigen hohen Baumstumpf, vielleicht einer kunstvoll mit Schnitzarbeiten verzierten Eiche, auf der wohl ein weiterer Stamm auflag, der ihr charakteristisches Aussehen hervorhob. Man hatte Irminsul unter freiem Himmel errichtet, sah man doch in dem von Norden nach Süden verlaufenden Querbalken, das Wahrzeichen der Himmelsstütze.

Sinnbild des Göttlichen

Nicht etwa verehrte man Gott selbst in der Irminsul. Sie war nur Abbild des Göttlichen und diente den Menschen als Erinnerungszeichen ebenso, wie später das Kreuz den Christen. Auch glaubte man nicht, dass Irminsul die Weltsäule an sich sei. Demnach war auf der Irminsul nicht das Abbild eines Gottes festgehalten, sondern der Versuch für die Gläubigen das himmlische Gleichnis in eine sichtbare Form zu verwandeln.

Auch andernorts auf der Erde galt der Baum nicht als Gott, sondern diente als Abbild des Allerhöchsten. Wenn man solche Figuren bemalte und an ihren Standorten Feste feierte, waren das weder angebetete Fetische, noch hielt man sie für Götter. Jüngere Religionen hatten das aber immer wieder missverstanden.

Wir können, aus dem Wissen ihrer einstigen Existenz, davon ausgehen, dass man zu damaliger Zeit schon lange die Sterne beobachtete und damit eine ausgeprägte Himmelskunde besaß. So sah man in Irminsul ein Gleichnis des Weltalls.

Auf das einst wohl riesige Heiligtum, richteten die alten Sachsen und Germanen ihre Blicke, wenn sie ihre kultischen Feste begingen. Wie auch die Kelten, feierten die Germanen ihre Rituale unter freiem Himmel. Gewiss erinnert die Irminsul damit an die Menhire der Druiden, die ihnen zur Ortung der Gestirne und für Sonnenbeobachtungen dienten. An diesen Riesensteinen opferten sie den Göttern (Stichwort Stonehenge).

Externsteine – ewigeweisheit.de

Die Externsteine im Teutoburger Wald.

Die Externsteine

Ursprünglich waren die Externsteine (auch: Eggsternsteine) eine alt-germanische Stätte im Teutoburger Wald, welche u. a. der Sonnenbeobachtung diente. Sie waren oberste Kultstätte und größtes Heiligtum der sächsischen Germanen.

Von einer besonderen Sonnenwarte aus, konnte man den Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende, direkt durch ein kreisrundes Keilloch beobachten.

Im Jahr 772 wurde Irminsul vom Frankenkaiser Karl dem Großen zerstört. Sie stand wohl in einem heiligen Hain, in der Nähe der Externsteine. Unter ihr – oder zumindest in ihrer Nähe – befand sich ein riesiger Schatz von Gold und Silber. Der wurde von den Kriegern des Frankenkaisers geraubt. Manche behaupten allerdings, die Irminsul hätte sich auf dem Gipfel des Marsberges befunden, nahe der Eresburg im Sauerland.

Wie dem auch sei, ist die Zerstörung der Irminsul, in der sogenannten Kreuzabnahme-Szene, am Fuße des vorderen breiten Felsens der Externsteine dargestellt. Steinmetze Kaisers Karl dem Großen, meißelten in den Fels der Externsteine dieses Relief, auf dem man die Abnahme Jesu Christi vom Kreuz sieht. Im unteren, rechten Viertel ist nun eine umgeknickte Irminsul abgebildet, was wohl andeuten soll, dass der alt-sächsisch-germanische Glaube dem Christentum weichen musste.

Johann Wolfgang von Goethe hatte 1824 in einer besonderen Abhandlung über die Externsteine, auf diesen „umgebrochenen Baum“ hingewiesen. Darauf standen einst die Beine des Helfers, dem nach unten der Leichnahm Jesu übergeben wurde. Erst später wurden im Relief, der Figur die Füße abgeschlagen.

Die Symbolik erscheint logisch, denn schließlich hatten die Krieger Karls ja über die Sachsen gesiegt, denen dieser Weltenbaum so heilig war.

Wie gesagt soll sich an diesem Ort auch die Irminsul befunden haben. Wahrscheinlich stand sie hoch auf dem Felsen, war als Zeichen in die Himmelshöhe aufgerichtet. Darauf verweist ein viereckiges Loch, das sich an der Oberseite des Felsen befindet. Die Irminsul stand auf einem hohen Felsen, den man von Weitem aus sah. Ihre zwei Äste ragten nach Süden und Norden. Gläubige des alten Kults müssen wohl ehrfürchtig zu ihr aufgeschaut haben.

Wie bereits angedeutet, glaubten die alten Sachsen nicht, dass Irminsul selbst die Weltensäule sei. Sie wussten vielmehr, dass sie ihrer Bedeutung nach auf die Weltachse hindeutet, die aus dem Nordpol zum Polarstern aufragt. Als solches Wahrzeichen stand sie für das von Gott aufgespannte Himmelszelt. In Emblemen und künstlerischen Darstellungen der Irminsul, sieht man manchmal auch die Sternkonstellation des Kleinen Wagen (auch: Kleiner Bär, siehe auch Titelbild dieses Artikels), bildet sein äußerster Deichselstern doch den Polarstern.

Himmelssäulen bei anderen Völkern

Auch im alten Lappland (Nordskandinavien) spielte eine, in den Himmel aufragende große Säule, eine religiöse Rolle. Meist ragten aus diesen Himmelssäulen auf beiden Seiten große Gabeln oder Äste, als gedachte Himmelsstützen. Sie setzte man ausdrücklich gleich mit der Weltachse (axis mundi) und dem Polarstern. Die alt-sächsische Irminsul war gleich der alt-nordischen Weltesche Yggdrasil eine solche Himmelsstütze, die man zu ehren des Himmelsgottes und Weltenherrschers errichtete.

Die Germanen nannten den Polarstern am nördlichen Sternenhimmel „Wotans Auge“. An ihm orientierte man sich auf nächtlichen Reisen. Nachts glaubte man ihren Wipfel im Stern des Himmelsnordpols zu erkennen. Daher die Annahme, der Kult der Irminsul sei ursprünglich, wenn auch in primitiverer Form, in nördlichsten Europa entstanden. Dort nämlich musste man den Kopf in den Nacken legen, um den Polarstern über sich beobachten zu können.

Wie die Äste der Irminsul den Himmel stützen, so tun es auch die gabelförmigen Äste des alt-ägyptischen Weltenbaums. Auch der Obelisk, gilt als ähnliches Erinnerungszeichen. Wie Irminsul, deutet der Obelisk hin auf jene Weltachse die auf den Himmelspol verweist. Solch ein Obelisk steht heute im Zentrum des Petersplatzes in Rom, wie auch in Washington D. C. (größter Obelisk der Welt). Auch in der heiligen Stadt Axum in Äthiopien befindet sich eine riesige Säule oder Stele – glauben doch manche, dass sich dort die Wiege des neuen Gottesreiches befinde.

Den alten Kult der Weltsäulenverehrung finden wir auch bei den Jugra-Völkern Westsibiriens. Dortige Schamanen stellen vierkantige Pfähle aus Holz auf, an deren Spitze manchmal auch ein hölzerner Vogel befestigt ist. Auch bei den nordöstlich des Uralgebirges lebenden Wogulen, findet man neben den Opferaltaren solcher Art Heiligtümer. Jener Kult, um Pfahl-Heiligtümer der Schamanen, ist insbesondere an den Ufer-Dörfern entlang des Flusses Irtysch verbreitet (ein Nebenfluss des Ob). Am bemerkenswertesten war die sogenannte „Stadtsäule“ im Dorf Tsingala. Sie nannten Einheimische Adam-Ike, den „Eisen-Säulen-Mann“. Am Standort der Säule opferte man Tiere, um sich Glück in Erwerb und Familienzuwachs zu verschaffen oder um sich vor Unglück oder Krankheit zu schützen. Aber auch hier gilt, dass nicht die Säule als Fetisch angebetet wird, sondern der Geist, den sie repräsentiert. Die Schamanen rufen dort in ihrem Opfergebet zwei Gottheiten an: einen polaren Himmelsgott und den Gott der Familiensippe.

Mein Vater, erhabener Mann mit den sieben Absätzen Sänjké, mein Vater, nach drei Seiten wachender Mann, nach drei Seiten schützender Mann! Auf die heilige Erde, auf die unbefleckte Erde meines Vaters, des Eisen-Säulen-Mannes, an den Fuß des heiligen Baumes, auf dem er thront, stelle ich das bluttierige Blutopfer, das rottierige Blutopfer.

– Schamanengebet der Wogulen

Für die Schamanen Westsibiriens repräsentiert dieser Holzpfahl, den vom Himmelsgott eingesetzten Baum, der das Antlitz jenes Gottes trägt. Auch bei den benachbarten Tartaren finden sich ähnliche Opferpfähle. Dort stellt man vor jedem Gehöft einen Birkenpfahl auf, an dem man Opfergaben befestigt. Solche zeremonialen Handlungen finden statt im Herbst und Frühling. Sie werden verrichtet zu Ehren des Himmels- und des Erdgottes.

Eisen-Säulen-Mann, Westsibirien – ewigeweisheit.de

Alte Fotografie der „Stadtsäule“ von Tsingala.

Elemente des Irminsul-Bildes

Was über die Irminsul bekannt ist, bleibt rar. Es gibt einfach zu wenige Quellen, die tatsächlich Aufklärung verschaffen könnten. Es kann darum nicht eindeutig gesagt werden, welche besonderen religiösen Funktionen die Irminsul hatte. Gewiss stellt sie eine Urpflanze dar, wie eben jener Weltenbaum bzw. Lebensbaum, der uns in allen spirituellen Traditionen begegnet. Unter den beiden Seitenarmen der Irminsul, entfalten sich am Stamm zwei knospende Blätter. Es könnten Sinnbilder sein, die auf das sich entfaltende Leben anspielen. Die Gabelung oben deutet ein kosmisches Lager an, worauf die Himmelsachse ruht. Sicherlich war dieses Bild nicht schon immer so ausgeprägt, hat wohl aber eine Jahrtausende alte Entwicklung durchgemacht, bis es die heutige Form der Irminsul annahm.

Wenn wir die polare Deutung der Irminsul, als Repräsentantin des Weltenbaumes heranziehen, so war ihre spirituelle Aufgabe vielleicht das Symbol der Himmelsträgerin des Alls. Sie war die zentrale „Stange“ des Himmelszeltes.

Die nordischen Völker hatten in den langen, von Polarlichtern erleuchteten Winternächten, einen ganz anderen Bezug zum Polarstern, als wir ihn aus niedrigeren Breiten sehen. Besonders heute, wo die Nächte in den Städten hell erleuchtet sind, sind solche Vorstellungen über die sakrale Bedeutung des Polarsterns, nur noch schwer nachvollziehbar.

Die polare Tradition, auf die sich anscheinend alle Völker nördlich des Äquator beziehen, darauf deutet die Symbolik ihrer säulenförmigen Sakralbauten hin (Obelisk, Stele). Sie beruht auf der Vorstellung eines großen Weltenbaumes, dessen Wipfel in das Zentrum des Kosmos ragt. An diesem unbeweglichen Zentrum sind alle Himmelsbewegungen ausgerichtet. Dort kreisen die Fixsterne, die Planeten, Mond und Sonne.

Alle Zeit und aller Raum, so glaubte man wohl, wickeln sich hier auf und wieder ab. Damit war die Irminsul wohl auch ein Symbol für das Leben der Menschen, das sich entfaltet, um dereinst, im ewigen Zyklus von Werden und Vergehen, wieder zu verschwinden.

 

2 Kommentare
  1. Ein sehr schöner Artikel! In
    Ein sehr schöner Artikel! In einem Punkt muss ich jedoch widersprechen: Da die Irminsul ja die Yggdrasil, also die Weltenesche repräsentiert, denke ich nicht, dass sie eine Eiche, sondern wohl eher eine Esche war. Sonst wäre es ja die Welteneiche.

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