Dante und Beatrice im Paradies – ewigeweisheit.de

Dantes Göttliche Komödie: Das Himmlische Paradies

Mit dem dritten Teil der Göttlichen Komödie, dem Paradiso (Himmlisches Paradies), endet Dantes Epos. Durch Inferno und Purgatorio führte Vergil den Dichter. Doch nachdem der sich im letzten Teil des Purgatorio von Dante verabschiedete, sollte seine Führerin von nun an Beatrice sein. 

Dante und Beatrice im Paradies – ewigeweisheit.de

Dante und Beatrice im Paradies. Gemälde von William Cave Thomas (1820–1896).

Sie ist symbolischer Inbegriff von Theologie und Spiritualität. In ihrer Begleitung betritt Dante nun die himmlischen Sphären der sieben klassischen Planeten Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn. Von dort steigt er auf in den Fixsternhimmel, den Kristallhimmel und betritt schließlich das Empyreum. Dort strahlt in göttlichem Licht die himmlische Rose der Liebe. Dantes Seele steigt hier auf zum Angesicht Gottes.

Aufflug zum Himmel

Ohne das Dante es bemerkt, steigt er vom Gipfel des Läuterungsberges auf ins Paradies. Doch er entbehrt der richtigen Worte und ruft den Sonnenkönig Apollo um Hilfe an, der ihn die Sphärenklänge, die Musik des kreisenden Weltalls vernehmen lässt.

Der Ruhm des, der bewegt das große Ganze,
Durchdringt das All, und diesem Teil gewährt
Er minder, jenem mehr von seinem Glanze.

Im Himmel, den sein hellstes Licht verklärt,
War ich und sah, was wieder zu erzählen
Der nicht vermag, der von dort oben kehrt.

Denn, nahn dem Ziel des Sehnens unsre Seelen,
Das unsern Geist zur tiefsten Tiefe zieht,
Dann muss der Rückweg dem Gedächtnis fehlen.

Doch Alles, was im heiligen Gebiet
Nur einzusammeln war von seliger Schöne,
Der edle Schatz, sei Stoff jetzt meinem Lied.

Apollo, Gütiger, leih mir deine Töne
Zum letzten Werk – mache ein Gefäß aus mir,
Wert, dass es dein geliebter Lorbeer kröne.

– Paradiso 1:1-15

Wie Dante schreibt, durchströmt Gottes Herrlichkeit das Universum. Stufe um Stufe verdichtet sich sein lichtvolles, liebesgetränktes Strahlen.

Dante und Beatrice im Paradies in der Mondensphäre – ewigeweisheit.de

Dante und Beatrice im Paradies in der Mondensphäre. Illustration von Gustave Doré.

Die erste Sphäre des Mondes

Zwischen Mond und Erde beschreibt Dante einen Bereich, den er die feurige Sphäre nennt (wohl zu vergleichen mit der Erd-Atmosphäre, worin Meteore verglühen). Hier weilen die an der Erfüllung ihrer Gelübde verhinderten.

Hier nun erheben sich Dante und Beatrice in die Sphäre des Mondes, durchdringen den Erdtrabanten sogar, was Dante unerklärlich ist.

Sie treiben durch des Seins unendlich Meer
Geleitet von dem Trieb, den Gott als Steuer
Jedwedem gab, auf manchem Hafen her.

Er ist’s, der trägt zum Mond empor das Feuer,
Der diesen Erdenball zusammenhält
Und eint, er, der bewegt die Herzen euer.

[…]

Beatrix blickt’ empor und ich auf Sie,
Doch kaum so lang, als sich ein Pfeil zu schwingen
Vom Bogen pflegt und fliegt und ruht – da sieh’

Mich dort, wo mir der Blick von Wunderdingen
Gefesselt ward, schon angelangt mit Ihr;
Und Sie, gewohnt, mein Innres zu durchdringen,

Sie wandte sich so froh wie schön zu mir:
»Auf, bringe jetzt Gott des Dankes Huldigungen!
Wir sind durch ihn im ersten Sterne hier.«

Mir schien’s, als hielte uns eine Wolke umschlungen,
Von Glanz durchstrahlt, dicht, ungetrennt und rein,
Wie Diamant, vom Sonnenstrahl durchdrungen.

Die ewige Perle nahm uns also ein,
Gleichwie das Wasser, ohne sich zu trennen,
In sich aufnimmt des Strahles goldnen Schein.

– Paradiso 1:112-117, 2:22-36

Die zweite Sphäre des Merkur

In der Sphäre des Merkur befinden sich alle, die ihre menschliche Gestalt bereits verloren haben und nur noch als Lichterscheinungen strahlen. Mit Gesang stimmen sie ein in die Harmonie der Planetenklänge.

So sah ich hier zu uns sich Strahlen kehren,
Wohl Tausende, von welchen Jeder sprach:
»Seht, der da kommt, wird unser Lieben mehren!«

Und wie sie uns sich nahten nach und nach,
Da sah ich süßer Wonne voll die Seelen
Im Glanz, der hell hervor aus jeder brach.

– Paradiso 5:103-108

Die dritte Sphäre der Venus

Die Venus-Sphäre bewohnen die Seelen derer, die ein tugendhaftes Leben führten und viel geliebt haben. Es ist hier das Reich der Minne, der tugendhaften, geistigen Liebe.

So ward nach ihr, von der mein Sang beginnt,
Der Stern benannt, der, bald der Sonne im Rücken,
Bald ihr im Angesicht liebäugelnd minnt.

Nicht fühlte ich mich in diesen Stern entrücken,
Doch, dass ich wirklich drinnen sei, entschied
Der Herrin höheres, schöneres Entzücken.

Und wie man Funken in der Flamme sieht,
Und wie wir Stimmen in der Stimme erkennen,
Die aushält, wenn die andre kommt und flieht;

So sah ich Lichter hier im Lichte brennen,
Und, nach dem Maß des ewigen Schauen es erregt,
So schien es, im Kreis mehr oder minder rennen.

– Paradiso 8:10-21

Dante und Beatrice im Paradies – ewigeweisheit.de

Dante und Beatrice in Mitten des Kreises der Kirchenväter. Auschnitt aus einem Freskenzyklus von Philipp Veit  (1793–1877) im Dante-Saal des Casino Massimo in Rom.

Die vierte Sphäre der Sonne

Hierin wirkt die astrale Kraft der Sonne, worin 12 Lichter die Seelen geistlicher Lehrer repräsentieren. Dante und Beatrice treffen hier etwa auf Thomas von Aquin (1225-1274), Albertus Magnus (1200-1280), den Propheten König Salomo, den franziskanischen Mönch Bonaventura (1221-1274). Es ist ein Ort heiliger Erkenntnis.

Die fünfte Sphäre des Mars

Die Mars-Sphäre bewohnen die Seelen aller Märtyrer und jener, die für den Glauben kämpften.

Wie diese Streifen, bildend auf dem Grund
Des roten Mars das hochgeehrte Zeichen,
Gleich vier Quadranten, wohlgefügt im Rund.

Wohl muss die Kunst hier dem Gedächtnis weichen,
Denn von dem Kreuz hernieder blitzte Christus;
Wo gäbe es ein Bild, ihm würdig zu vergleichen?

Doch wer sein Kreuz nimmt, folgend seinem Christus,
Von ihm wird das, was ich verschwieg, verziehen,
Denn blitzen sieht auch Er im Glanze Christus.

– Paradiso 14:100-108

Die sechste Sphäre des Jupiter

In diesem Himmel des Jupiter, da weilen die Seelen der gerechten Herrscher.

Dante und Beatrice sehen hier, wie sich aus unzähligen Engeln, die Gestalt des Satzes formt:

Diligite iustitiam qui iudicatis terram

Liebt die Gerechtigkeit, ihr, die ihr die Erde richtet

Aus dem M des Wortes terram schließlich, fügen sich die Engel zusammen zu einem riesigen himmlischen Adler aus Licht (der Adler ist eines der Attribute des Himmelsfürsten Jupiter und als Reichsadler, einst Zeichen des römischen Kaisertums).

Ich sah den Adler und hörte ihn Worte sagen,
Und in der Stimme erklangen Ich und Mein,
Als Wir und Unser ihm im Sinne lagen.

Er sprach: »Für frommes und gerechtes Sein,
Sollte ich zu dieser Glorie mich erheben,
Die jeden Wunsch uns zeigt als arm und klein.

Und solch Gedächtnis ließ ich dort im Leben,
Dass es für rühmlich selbst den Schlechten gilt –
Nur dass sie nicht der Spur zu folgen streben!«

Wie vielen Kohlen eine Glut entquillt,
So tönte jetzt von vielen Liebesgluten
Ein einziger Ton mir zu aus jenem Bild.

– Paradiso 19:10-21

Jakobs Traum von der Himmelsleiter – ewigeweisheit.de

Die Himmelsleiter im Traum Jakobs. Gemälde von William Blake (1757–1827).

Die siebente Sphäre des Saturn

In dieser höchsten der siebenten Sphären nun, dort halten sich die Asketen und Einsiedler auf. Es ist der Himmel des Saturn – dem einstigen Gott des Goldenen Zeitalters, wo auf der Erde Gerechtigkeit und Frieden herrschten. Hier erblickt Dante eine goldene Himmelsleiter, auf der die Seelen auf- und niedersteigen. Kein Zweifel: sie gleicht jener, von der auch der Prophet Jakob träumte.

In dem Kristall, der, um die Welt bewegt,
Vom teuren Führer, unter dem entweichen
Die Bosheit musste, noch den Namen trägt,

Erblickte ich einer Leiter schimmernd Zeichen,
An Farbe gleich dem Gold, durchglänzt vom Strahl,
Hoch, dass zur Höhe nicht Menschenblicke reichen.

Und auf den Sprossen stieg in solcher Zahl
Die Schar der seligen Himmelslichter nieder,
Als ströme hier alles Licht mit einem Mal.

Und wie, nach ihrer Art, die Krähen, wenn wieder
Der Tag beginnt, sich rasch bewegend ziehen,
Um zu erwärmen ihr erstarrt Gefieder,

Und die von dannen ohne Rückkehr fliehen,
Die rückwärts fliegen, andere dann, im Bogen
Dieselbe Stelle umkreisend, dort verziehen:

So sah ich’s jetzt in jenem Glanze wogen,
Der dort zugleich entströmte, – bis dass die Flut
War zu gewissen Stufen hergezogen.

Und Einer glänzte, der, uns nah, geruht,
Drum wollte schon dies Wort der Lippe entsteigen:
»Ich sehe es wohl, du zeigst mir Liebesglut.«

– Paradiso 21:25-45

Dante an der Seite Beatrices, die Engel des Paradieses schauend – ewigeweisheit.de

Dante an der Seite Beatrices, die Engel des Paradieses schauend. Illustration von Gustave Doré.

Der Fixsternhimmel des Tierkreises

Als achte Sphäre, schließt sich an die Sphäre des Saturn, der Kreis der Fixsterne an. Dort weilen die Seelen der Apostel, der Propheten und des ersten Menschen Adam.

Dante und Beatrice bewegen sich über eine Himmelsleiter, Stufe um Stufe hinauf in den Sternenkreis. Gewiss kann man sich die Sprossen dieser Leiter vorstellen, wie sie in Genesis 28:10-22 der Prophet Jakob im Traum sieht. Den dort wo sein Haupt lag, richtete er einen Felsen auf, aus dem dereinst der Tempel zu Jerusalem erbaut werden sollte.

Der Kristallhimmel

In dieser Sphäre, dem neunten Himmel, bewegt der erste, unbewegte Beweger (Primum Mobile) alles Kreisen, das von dem, durch ihn umschlossenen achten Himmel ausgeht. Von hier aus entstehen sowohl Raum als auch Zeit. Von Gott selbst erhält es die Ursache seiner Bewegung. Es ist der Wohnort der englischen Chöre. Durch ihre Intelligenzen lenken sie die Vorgänge der unteren Sphären, wirken hindurch bis an den tiefsten Punkt. Von hier stürzte einst Luzifer zum Erdmittelpunkt.

Der Kristallhimmel umfasst, zusammen mit den sieben Planetensphären und dem Sternenkreis, acht himmlische Sphäre und bildet damit selbst die neunte und den himmlischen Kontrapunkt zur Eishölle, dem neunten und tiefsten Kreis des Inferno.

Es ist die Grenze zwischen geschaffener Welt und Unendlichkeit (die dem Ayn Soph der Kabbala entspricht).

»Sieh hier des Weltenlaufs Natur begonnen,
Durch die der Mittelpunkt in Ruhe weilt,
Und Alles rings im Kreis den Flug gewonnen.

In diesem Himmel, der am schnellsten eilt,
Wohnt Gottes Geist nur, der die Liebe entzündet,
Die ihn bewegt – die Kraft, die er verteilt.

Ein Kreis von Licht und Liebesglut umwindet Ihn,
wie die Andern er; allein verstehn
Kann diesen Kreis nur Er, der ihn geründet.

Nichts lässt das Maß von seinem Lauf uns sehn;
Nach ihm nur misst sich der der andern Sphären,
Wie man nach Hälfte und Fünfteil misst die Zehn.

Wie sich in diesem Kreis die Wurzeln nähren
Der Zeit, wie ihr Gezweig zu andern strebt,
Das kannst du jetzt dir selber leicht erklären«

– Paradiso 27:106-120

Darüber gelagert ist noch als 10. Sphäre, der eigentliche Sitz Gottes und aller Seligen.

Dante und Beatrice erblicken Gottes Angesicht in der Rose des Himmels – ewigeweisheit.de

Dante und Beatrice erblicken Gottes Angesicht in der Rose des Himmels. Illustration von Gustave Doré.

Im Empyreum

Es ist ein Bereich vollkommenen Lichtes und die Wohnung der Seligen, die nur vorübergehend auch in den anderen Himmeln weilen.

Verschiedene Vorstellungen antiker Kosmologen beschrieben das Empyreum als Ort des höchsten Teils des Himmels über der Erde. In in der Naturphilosophie des Aristotles, erfüllt diesen Bereich ein feuriger Weltenäther. Darauf verweist das Wort Empyreum, worin das griechische pyr für das Feuer steht, so dass die wahre Bedeutung des Begriffs in etwa etwa als »Ort im Feuerigen« beschrieben werden könnte. 

In christlicher Theologie befindet sich hier die Wohnstatt Gottes.

Hier endlich erblicken Dante und Beatrice, in ihrem Schauen vollkommen gebannt, das Strahlen in der Lichtrose des höchsten Himmels. Es ist das Licht aus jener Rose, das sich nun vermählt, in der mystischen Hochzeit der menschlichen Seele Dantes, mit seinem irdischen Dasein, symbolisiert durch das gleichschenklige Kreuz.

Man vergleiche hiermit etwa auch den in der Nachtreise, in der Stern-Sure des islamischen Propheten Mohammed (as) genannten »Lotusbaum am äußersten Ende«:

an dem das Paradies der Geborgenheit liegt.
Dabei überflutete den Lotusbaum, was ihn überflutete.
Da wankte nicht der Blick, noch schweifte er ab.

– Sure 53:13-16

 

Dantes Bild vom Jenseits

Um zu verstehen, was Dante in seiner Göttlichen Komödie zu vermitteln suchte, zumindest aber vor seinem inneren Auge in Klarheit sah, setzt voraus, dass auch der Leser mit dem Gesagten eine geistige Skizze erschafft.

Doch es ist wohl, offen gestanden, nicht ganz einfach. Besonders für jene, die sich weder im Sagenkreis der alten römischen und griechischen Mythologie auskennen und auch nicht im Alten und Neuen Testament der Bibel. Selbst aber wer die Schriften der westlichen Kultur besser kennt, dürfte Dantes Commedia dennoch ein Rätsel bleiben. Denn viele der Personen, die in diesem monumentalen Werk auftauchen, sind Menschen, die im direkten Umfeld Dantes standen und mit denen man sich zunächst vertraut machen sollte.

Was uns hier bleibt, war also nur eine kurze Skizzierung seines Opus Magnum. Dennoch aber, dürfte den Leser diese Schilderung der drei Jenseitsreiche, einen gewissen Einblick darin geliefert haben, das sich die neueren Vorstellungen in der Esoterik, vom Leben nach dem Tod und die Reise der Seele zu Gott, nicht ganz zufällig den Beschreibungen in Dantes Werk ähneln.

 

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