Vor sehr langer Zeit entstand im alten Tibet ein Dichtung aus acht Stanzen (Strophen). Sie bildeten die Grundlage für Helena P. Blavatskys Hautwerk »Die Geheimlehre«, dass sie als Kommentar zu dem uralten »Buch des Dzyan« verfasste. »Dzyan« ist ein Wort aus dem Sanskrit und eine andere Form des Begriffes »Dhyana«: einer Meditation, um höhere Bewusstseinszustände zu erreichen.
Leider ist nicht endgültig geklärt wo sich dieses Buch als Original heute befindet oder ob es überhaupt (noch) existiert. Laut der Theosophischen Gesellschaft fand Blavatsky diese Schrift aus grauer Vorzeit, auf einer weiteren Reise nach Tibet, die sie 1868 in Begleitung von Mahatma Morya unternahm.
Eine okkulte Bruderschaft verwahrte die Texte anscheinend im Geheimen, um sie vor nicht-eingeweihten Augen zu schützen. Des Weiteren ist außergewöhnlich an diesem Buch des Dzyan, dass es in einer heiligen Sprache verfasst wurde, die in keinem Verzeichnis als Sprache oder Dialekt geführt wird , noch irgend ein Philologe davon wüsste: Senzar – eine Mysteriensprache, die nur den eingeweihten Adepten auf unserem Planeten geläufig ist.
In ihrem Buch »Entschleierte Isis« beschreibt Blavatsky das Senzar als antike Form des Sanskrit. Und doch auch sollen Wurzeln dieser eigentümlichen Sprache in Ägypten zu finden sein, sowie an anderen Orten. Immer wieder wies Helena Blavatsky darauf hin, dass Mysterienwissen niemals an die Öffentlichkeit gelangen darf. Und so also sollte auch der Ursprung des Senzar ein Geheimnis bleiben, auch wenn sie dieser Sprache öffentlich zugestand, wie auch anderen Geheimnissen, das sie aus einer gemeinsamen Wurzel aller Dinge auf Erden entstand.
Die erste Überlieferung esoterischer Glaubenslehren basiert auf Stanzen (Strophen) eines Volkes, das der ethnologischen Wissenschaft unbekannt ist. Es wird behauptet, dass sie (die Stanzen) in einer Sprache geschrieben wurden, für die keine philologische Fachbezeichnung bekannt ist. Es heißt über sie, sie würden einer Quelle entspringen, deren Existenz die Wissenschaft leugnet. Schließlich wird jene Instanz durch die sie (die Stanzen des Buches des Dzyan) uns geboten wurden, in unserer Welt unablässig in schlechten Ruf gebracht, von all jenen die unliebsame Wahrheiten hassen […]. Aus diesem Grund muss mit der Ablehnung dieser Lehren gerechnet und das darum im Vorhinein auch akzeptiert werden. Da sich niemand selbst als »Gelehrten« bezeichnet, ganz gleich aus welchem Wissenschaftszweig, soll darum ebenso gestattet sein das diese Lehren ernst genommen werden.
– Aus der Geheimlehre, Teil 1
Das Tibetische Kiu-Te
Das Buch des Dzyan wurde als erster Band einer Kommentare-Sammlung des Buches »Kiu-Te« verfasst, einem Sammelband von sieben geheimen Pergamenten.
Es gibt fünfunddreißig Bände des Kiu-te, die für exoterische Zwecke und für Laien verfasst wurden und in Besitz tibetischer Gelugpa-Lamas sind (Gelugpa ist die eine der vier Hauptschulen des tibetischen Diamantweg-Buddhismus sind, des Vajrayana). Man findet sie in den Bibliotheken eines jeden Klosters. Und es gibt darüber hinaus auch vierzehn Bände mit Kommentaren und Anmerkungen von eingeweihten Lehrern, die über das selbe Thema schrieben.
Strenggenommen könnte man diese fünfundreißig Bücher als »Popularausgabe« der Geheimlehre (Blavatskys Hauptwerk) werten, mit all ihren Mythen, Umschreibungen und Irrtümern. Andererseits enthalten die (anderen) vierzehn Kommentar-Bände – mit ihren Übertragungen, Anmerkungen und ihrem umfangreichen Glossar okkulter Begriffe, die aus einem kleinen, sehr alten Pergament stammen, dem Buch der Geheimen Weisheit der Welt – eine Übersicht über alle okkulten Wissenschaften.
Anscheinend werden diese (vierzehn Bände) für sich im Geheimen aufbewahrt und sind in der Obhut des Taschi-Lama von Shigatse (in Tibet). Die Bücher des Kiu-Te stammen aus vergleichsweise jüngerer Zeit. Sie wurden innerhalb des letzten Jahrtausends bearbeitet, obgleich seine frühesten Kommentar-Bände unsagbar alt sein dürften.
– Aus Blavatskys Gesammelten Schriftwerken, Band XIV
Das Kiu-Te wird von anderen Gelehrten heute auch »Rgyud-Dse« genannt, das Teil einer riesigen Schriftsammlung Buddhistischer Tantra-Lehren ist. Doch bei alle dem bisher Gesagten, driften die Meinungen über den Ursprung des Buches des Dzyan weit außeinander, spreizen sich die Vermutungen über seine Herkunft doch von Fernost bis nach Europa und werden dem chinesischen Tao ebenso zugeschrieben wie der jüdischen Kabbala.
Was Blavatsky dort in Tibet auch gefunden haben mag erinnert an das, was in anderen Zusammenhängen etwa als »Akasha-Chronik«, die »Tabula Smaragdina« oder anderswo als die »Wohlverwahrte Tafel« bezeichnet wurde.
Auszug aus dem Buch des Dzyan
1. Strophe
1. Die ewige Mutter, gehüllt in ihre immer unsichtbaren Gewande, hatte wieder einmal während sieben Ewigkeiten geschlummert.
2. Es gab keine Zeit, denn sie lag schlafend in dem unendlichen Schoße der Dauer.
3. Das Universalgemüt war nicht vorhanden, denn es gab keine Ah-hi, es zu erhalten.
4. Die sieben Wege zur Seligkeit existierten nicht. Die großen Ursachen des Leidens waren nicht vorhanden, denn es war niemand da, sie hervorzubringen oder in sie verstrickt zu werden.
5. Dunkelheit allein erfüllte das unendliche All, denn Vater, Mutter und Sohn waren wieder einmal Eins, und der Sohn war noch nicht erwacht für das neue Rad und seine Wohnung auf demselben.
6. Die sieben erhabenen Beherrscher und die sieben Wahrheiten hatten aufgehört zu sein. Und das Weltall, der Sohn der Notwendigkeit, war in Paranishpanna untergetaucht, um wieder ausgeatmet zu werden von dem, das ist und dennoch nicht ist. Nichts war.
7. Die Ursachen des Daseins waren beseitigt, »das Sichtbare, das war, und das Unsichtbare, das ist, ruhten in dem großen Nichtsein, – dem Einen Sein«.