Der Kreis ist ein Symbol für den Lebensodem, der die Zyklen unserer Organe antreibt, durch den unsere Lunge Sauerstoff aufnimmt, der durch unser Herz ins Blut gebracht, in den Stoffwechselkreislauf strömt.
Diesem zyklischen Lebensodem wurden wir uns schon gewahr als Ungeborenes im Mutterleib, in Form einer inneren Vorstellung, wo wir eine vom Herzschlag unserer Mutter ausgehende, natürliche Beruhigung erfuhren. Und diese Erfahrung entbehrte jeden Namens, jeder Beschreibung.
Alle Menschen kommen mit dem Vermögen zur Welt, sich solchem oder ähnlichem, ruhigen Puls anvertrauen zu können, um darin eine tiefe, positive Gewissheit zu erfahren. So kann jeder von uns sich auf natürliche Weise seinem instinktivem Empfinden übergeben – was eine Grundvoraussetzung aller Heilfähigkeit ist.
Erinnern wir uns an dies milde, tief klingende Pochen, scheint sich die Außenwelt vor uns zurückzuziehen, während wir in unserem Inneren erwachen. In diesem Erwachen beginnt der Kern unseres wahren Selbst zu keimen.
Ballen wir also einmal unsere Faust, stoßen wir damit, zur Erinnerung, ganz sanft auf unsere Brust, im Rhythmus eines langsamen, ruhigen Herzschlags. Aus solch nachgeahmten Puls, lässt sich Kraft schöpfen, aus dem Innern unseres seelischen Seins.
Wenn die Zeit dafür reif ist, können wir so, immer zur Quelle dieser Kraft zurückkehren. Der Kreis ist das Sinnbild dafür. Er symbolisiert unser Fortschreiten im Leben, dass wir in der Bewegung wiederfinden. Er gleicht einer mythischen Schlange, die sich in ihren eigenen Schwanz beisst: Ein Zeichen der Initiation, des wahrhaftig Wissenden.
Das Labyrinth: Eine rätselhafte Form
Der Kreis steht auch für den Schatten der Himmelskugel und als Abbild einer Wahrheit, die aus eigener Kraft in uns wiedergefunden werden muss. All das erlernte Wissen aber – Gelesenes, Gemessenes, Errechnetes und so weiter – ist rein äußerlich, und kann uns manchmal hemmen.
Und doch glauben wir heute, uns alleinig durch äußere, technische Hilfsmittel, in eine größere Welt hin ausdehnen zu können, wofür wir in unsere Bildschirme schauen. Unser Körper aber bleibt zunehmend an einem Ort und geht uns dabei eigentlich verloren, in diesem Vergessen, eingelullt in eine rein äußerliche Wirklichkeit.
Es ist jedoch die Bewegung, die im Außen stattfindet, um sich dem Inneren zu nähern. Nicht aber einfach gerade zu, sondern in jenem genannten Kreis, der sich pulsartig ausdehnt und wieder zusammenzieht. Eines Tages jedoch, wird man eins werden, mit dem verborgenen Zentrum, im Innern dieses Kreises. Diese pulsierende, schwingende Bewegung symbolisiert die Form des Labyrinths.
Das, was unser Selbst, im unerkannten Inneren unseres Seins gefangen hält, gleicht dem Ungeheuer des Minotaurus im Zentrum des Labyrinths. Es ist dieses Mischwesen ein Symbol für die innere Identifikation mit unserer äußeren fleischliche Hülle. Und es scheint, als wäre dieser stierköpfige Mensch des Minotaurus, der seinen bitteren Tribut fordert, ein Gleichnis auf eine rein triebgesteuerte Hülle, in der sich heute die meisten Menschen vollkommen unbewusst durch ihr Leben bewegen.
Der Minotaurus aber ist nichts Äußeres, sondern eine innere, unbewusste Schwäche, die sich mit den unzähligen äußeren Eindrücken in der Welt identifiziert. Näherten wir uns diesem Wesen des Minotaurus darum auf direktem Wege, würden wir seinen Schrecken wohl kaum ertragen.
Schreiten wir also entlang der geschlungenen Pfade des Labyrinths, bewegen wir uns in einem Kreislauf, der sich dem Innersten immer wieder nähert. Im Durchlaufen jeder einzelnen seiner Windungen, vollendet der Mensch jeweils eine Stufe seiner Entwicklung.
Entlang der Pfade des Labyrinth können wir uns ihm nähern (hierzu sollte man einmal den Labyrinth-Pfad zum Beispiel mit dem Zeigefinger entlang gegangen sein). Schließlich wird der letzte Abschnitt beschritten, der uns dort einkehren lässt, wo wir dem symbolischen Bruder des Mütterlichen (des Anfangs), dem Tod (des Endes) ins Auge des Minotaurus, ihn daraufhin überraschen und erledigen, um in unserem da gefundenen Selbst, zu neuem Leben zu erwachen.
Haben wir diesen innersten Punkt erreicht, vermögen wir uns ganz kurz von unserer Leibeshülle zu lösen, während wir wieder zu unserem natürlichen, instinktiven Bewusstsein finden. Das ist wahrhaftige Einweihung!