Aus den Lehren des Pythagoras lässt sich sowohl exoterisches wie auch esoterisches Wissen beziehen. Seine sogenannte »Siderischen Harmonik« allerdings, zählt wohl zu den erhabensten solcher Wissensgebiete.
Pythagoras von Samos (570-510 v. Chr.) sagte man nach, dass er von allen Menschen der einzige war, der die feinstoffliche Sphärenharmonie der Planeten zu vernehmen, zu »hören« vermochte.
Bereits aber in den Jahrhunderten vor seiner Zeit, besaßen manche unter den Chaldäern (einem alten Volk das um 1.000 v. Chr. im südlichen Mesopotamien lebte) ein höheres Wissen von eben dem, was wir eben als Siderische Harmonik ansprachen. Für die Chaldäer war klar, dass die Himmelskörper, eben wegen ihrer zyklischen Bewegungen, sich in eine Art »kosmischen Gesang« einstimmen, während sie ihre Bogen über den Himmel ziehen.
Schauen wir noch weiter zurück in die Geschichte des Altertums, so ist da die Rede vom biblischen Propheten Hiob (2185 v. Chr.), der in seinem gleichnamigen Buch schreibt
als die Morgensterne miteinander jauchzten und alle Gottessöhne jubelten
– Hiob 38:7
Es scheinen also schon sehr lange Vermutungen darüber angestellt worden zu sein, dass von jenen, zyklischen, und damit auch kreisförmigen Bewegungen der Himmelskörper, ein Vibrieren ausgeht, das eben alle schwingenden Körper aussenden (man denke da etwa an hoch rotierende Objekte, von denen ein charakteristischer Klang ausgeht).
Von den oben besagten Vermutungen der Menschen von einst, blieb uns bis heute jedoch nur wenig erhalten. Wir wollen uns aber, mit dem was uns dazu an Wissen zur Verfügung steht, dennoch dieser Theorie der Sphärenharmonie weiter nähern.
Noten kosmischer Harmonie
Pythagoras und seine Schüler verwendeten ein Monochord, um die Schwingungsverhältnisse der musikalischen Töne zu studieren. Bei einem Monochord handelt es sich um eine physikalische Apparatur, die einem Musikinstrument ähnelt, wo über die Länge eines entsprechenden Resonanzkastens eine Saite gespannt ist. Je nachdem wo man die Saite mit dem Finger berührt, während man sie anschlägt, erklingt ein anderer Ton.
Mittels ihrer Untersuchungen zur musikalischen Harmonielehre, leiteten die Pythagoreer schließlich ab, dass von jenen zyklischen Sphärenbewegungen der sieben klassischen Planeten, wohl eben entsprechende Klänge ausgehen mussten. Sie stellten sich den Himmel als kosmisches Monochord vor, dessen Saite an ihrem oberen Ende mit dem absoluten Geist und an ihrem unteren Ende mit der absoluten Materie verbunden war – mit anderen Worten: Jene Saite der Sphärenharmonie war für Pythagoras und seine Schüler gespannt zwischen Himmel und Erde (siehe Abbildung).
Eine „Verklanglichung der Weltordnung mit einem Monochord“ in einer Illustration von Robert Fludd aus dem Jahre 1617 (Quelle: Deutsche Fotothek).
Vom Umfang des Himmels aus rechnend, leitete Pythagoras diese Sphärenharmonie von den Umlaufperioden der klassischen Himmelskörper Saturn, Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Merkur und Mond ab. Hiermit war die Anordnung dieser sieben Planeten (Sonne und Mond betrachtete man in der alten Astronomie als Planeten), auch identisch mit der jüdischen Symbolik der Menora (traditioneller Siebenarmiger Leuchter), wobei die Sonne in der Mitte stand, als Hauptstamm mit drei Planeten zu beiden Seiten.
Was die Pythagoreer damals theoretisch herleiteten, darauf sollte im 4. Jahrhundert unserer Zeit auch der römische Philosoph Macrobius Ambrosius Theodosius (385-430 n. Chr.) eingehen, in seinem Kommentar zu Ciceros Somnium Scipionis. Darin meinte er, dass Pythagoras die Geschwindigkeiten und Größen der sieben planetarischen Körper geschätzt hatte, wovon er dann eine ihnen entsprechende Diatonik (Skala von Ganztönen) ableitete. Gewiss war das aber mehr als nur Annahme, da Pythagoras eben über eine Wahrnehmung verfügt haben soll, die ihn solch feinstoffliche Wirkungen empfinden ließ.
Für Pythagoras ging von jeder dieser gigantischen Himmelskugeln ein bestimmter Ton aus, erzeugt durch die Planeten, die sich darin endlos durch diese sphärischen Räume bewegten. Da man in diesen Tönen irdische Manifestationen einer göttlichen Ordnung erkannt hatte, musste daraus zwangsläufig folgen, dass die Planeten (als Repräsentanten der Götter) zur Harmonie ihrer kosmischen Klänge quasi bewusst beitrugen.
Vom sphärischen Gesang der Planeten
Im Alten Griechenland sahen die Eingeweihten für wahr an, was Pythagoras über die Sphärenharmonie meinte, wenn er behauptete, dass von den Planeten bei ihren Umläufen um die Erde, bestimmte, wenn auch feinstoffliche, nicht direkt hörbare Töne ausgehen. Je nach Größe, Schnelligkeit und Entfernung des Planeten, entsprechend unterscheiden sich diese Töne. Saturn etwa, der am weitesten entfernte Planet, soll den subtilsten, aber dennoch schwersten Ton von sich geben, während vom Mond, der am nächsten ist, der deutlichste Ton ausgeht.
Man legte auch eine grundlegende Beziehung fest, zwischen den einzelnen Sphären der sieben Planeten und den sieben heiligen Vokalen der griechischen Sprache:
- Mond: Α (Alpha)
- Merkur: Ε (Epsilon)
- Venus: Η (Eta)
- Sonne: Ι (Iota)
- Mars: Ο (Omikron, »kleines O«)
- Jupiter: Y (Ypsilon)
- Saturn: Ω (Omega, »großes O«)
Wenn die sieben Planetensphären gemeinsam tönen, erzeugen sie dabei eine vollkommene Harmonie, die wie ein ewig gesungener Lobpreis aufsteigt, zum Thron ihres Schöpfers.
Von diesen heiligen Gesetzmäßigkeiten beeindruckt, verfertigte man manche der frühen Musikinstrumente mit eben sieben Saiten. Diese Siebenheit brachte man immer in Verbindung mit sowohl ihren Entsprechungen im menschlichen Körper, als auch mit den Planeten. Auch die Namen Gottes bildete man damals aus Kombinationen der sieben Planetentöne:
Planet | Frequenz | Note |
---|---|---|
Saturn | 147,85 Hz | D |
Jupiter | 183,58 Hz | Fis |
Mars | 144,72 Hz | D |
Sonne | 126,22 Hz | H |
Venus | 221,23 Hz | A |
Merkur | 141,27 Hz | Cis |
Mond | 210,42 Hz | Gis |
Für die Pythagoreer galt: Alles was existiert, hat eine Stimme und damit singen alle Geschöpfe ewig das Lob ihres Erschaffers. Der Mensch aber kann diese Klänge der Planeten nicht hören, weil seine Seele in die Illusion der materiellen Existenz verstrickt ist. Wenn er sich irgendwann aber von den Fesseln der niederen Welt mit ihren Sinnesbegrenzungen zu befreien lernt, dann werden ihm die Töne der Sphärenharmonie wieder hörbar sein, so wie es ihm das auch möglich gewesen sein soll im Goldenen Zeitalter (vor etwa 10.000 Jahren).
Sobald die menschliche Seele wieder ihren wahren Zustand zurückerlangt, wird sie nicht nur den Chor des Sphärengesanges der Planeten hören, sondern auch mit ihm in eine immerwährende Hymne des Lobes an das Ewige Gute einstimmen.
Form, Raum und Resonanz
Im Alten Griechenland wusste man um einen geheimen Zusammenhang zwischen Musik und geometrischer Form. Die architektonischen Elemente der Tempelbauten etwa, standen da in Zusammenhang mit Noten und musikalischen Tonleitern. Die Architekten von einst, versuchten mehrere solcher Elemente ausgewogen in einer Gebäudearchitektur zu integrieren, damit sie als gesamtes Bauwerk mit eben einem bestimmten musikalischen Akkord korrespondierten – vorausgesetzt seine Bauteile entsprachen auch den Anforderungen harmonischer Ton-Intervalle.
Die Erkenntnis dieser Analogie zwischen Klang und Bauform, inspirierte später wohl auch den deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer (1788-1860) zu der Aussage:
Architektur ist gefrorene Musik.
Auch andere deutsche Philosophen, wie etwa Friedrich Schelling (1775-1954) oder Friedrich Schlegel (1772-1829), teilten mit ihrem Zeitgenossen diese Anschauung: Architektur und Baukunst sei erstarrte Musik.
Wenn wir aber zurückblicken in jene Zeit, in der man in Griechenland und Ägypten die heiligen Mysterien feierte, da gab es schon damals besondere Klang-Räume, in denen die Hierophanten ihre Beschwörungen und Intonationen sangen oder sprachen. Selbst ein geflüstertes Wort, wurde darin so intensiviert, dass der Nachhall im gesamten Gebäude (Mysterien-Tempel) hörbar wurde – manche meinen sogar, dass bereits die leistete Intonation in solch einem Klang-Raum, ein gar ohrenbetäubendes Dröhnen auslöste.
Eigentlich jedes Element in der Natur hat seinen eigenen Grundton. Wenn solch ein Element mit anderen Elementen in einer zusammengesetzten Struktur (zum Beispiel in einer Tempel-Architektur) kombiniert wird, ergibt sich daraus ein Akkord, der, würde ihn einer kennen und seinen Klang erzeugen können, die Verbindung seiner Bestandteile de facto auflösen würde. Auch jedes Individuum hat einen Grundton. Doch wenn dieser erklingt, besteht die Gefahr, dass sich dabei auch die Existenz dieses Individuums auflöst.
Die biblische Legende von den Mauern Jerichos, verdeutlicht zweifellos die geheimnisvolle Bedeutung dieses individuellen Grundtons: Aus dem Buch Josua (auch: »Buch Joschua«) entnehmen wir der Schilderung über die Schlacht von Jericho (Josua 6:1-27), dass die Israeliten am siebten Tag ihrer Belagerung siebenmal um die Stadtmauern marschiert waren und dann siebenmal die Trompeten geblasen hatten, was die Mauern der Stadt zum Einstürzen brachte. Anscheinend wusste man schon in alter Zeit Menschen vom Zusammenhang der individuellen Töne aller Dinge, wie auch von harmonischen Klängen, die eine Architektur in Resonanz zu versetzen vermögen.