Illustration: Augustus Knapp

Die Tempellegende der Freimaurer (Teil 2)

(ich) will wohnen unter den Kindern Israel und will mein Volk Israel nicht verlassen.

– 1. Könige 6:13

Über sich sah er eine große Gestalt schweben die zu ihm sprach: „Sei ohne Furcht mein Sohn, denn ich habe dich unverbrennbar gemacht. Stürze Dich in die Flammen!“ Hiram betrat also den Schmelzofen ohne sich dabei zu verbrennen. Von einer unwiderstehlichen Kraft angetrieben, drang er immer weiter vor.

„Wohin führst du mich?“ fragte er. „Zum Mittelpunkt der Erde“ antwortete das Wesen, „in die Seele der Welt, in das Reich des großen Kains. Dort ist der Ort wo die Freiheit herrscht. Dort hört der tyrannische Neid des JHVH auf. An diesem Ort können wir seines Zornes spottend, den Apfel vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen kosten. Dort ist das Heim deiner Ahnen.“ – „Wer bin ich und wer bist du?“ fragte Hiram – „Ich bin der Vater deiner Väter, der Sohn Lamechs. Ich bin Tubalkain.“

Hiram Abiff wurde nun von Tubalkain in das Heiligtum des Feuers eingeweiht. Er legte ihm dabei die von JHVH den Menschen eingebläuten Schwächen und niedrigen Leidenschaften dar. Denn JHVH war seinen eigenen Geschöpfen, den erdgeschaffenen Menschen, eigentlich feindlich gesinnt. Unerbitterlich verurteile er sie zum Tode, nur um sich an den Feuergeistern zu rächen, denn jene hatten ursprünglich ja den Menschen mit Wohltaten überhäuft. Nun kam Hiram vor den Urvater Kain. Kain, dessen edle Gesinnung den Neid JHVHs erregt hatte, erzählte Hiram von den Leiden, die der grausame JHVH über ihn verhängte. Plötzlich vernahm Hiram eine Stimme: „Dir wird ein Sohn geboren werden. Zwar wirst du ihn nicht sehen, doch seine zahlreichen Nachkommen werden dein Geschlecht verewigen. Sie werden dem Geschlecht Adams überlegen sein und die Herrschaft der Welt erringen. Viele Jahrhunderte lang wird es dem Geschlecht Adams dienen, bis es einst die Herrschaft über die Welt erlangen und die Anbetung des Feuers wieder einführen wird. Gehe mein lieber Hiram. Die Feuergeister seien mit dir!“

Nun wurden Hiram Abiff von Tubalkain die Mysterien des Feuers enthüllt. Damit wurde er befähigt das irdische Wasser der Weisheit mit dem leidenschaftlichen Feuer des Himmels in richtiger Weise zu verbinden. Tubalkain übergab Hiram zudem ein geheimnisvolles T-Symbol in Form eines Hammers, sowie ein Goldenes Dreieck auf dem ein geheimnisvolles Wort eingraviert war – das Meisterwort der Freimaurer. Tubalkain gebot dem Hiram dieses Dreieck stets am Hals zu tragen. „Dieser Hammer, das Goldene Dreieck und die Feuergeister mein lieber Hiram – sie sollen dir helfen das durch menschliche Dummheit und Bosheit unvollendet gebliebene Werk zu Ende zu bringen.“

Als Hiram Abiff nun wieder auf die Erdoberfläche zurückkehrte erprobte er gleich die wunderbare Macht des kostbaren Hammers. Zu Sonnenaufgang war der Guss des bronzenen Beckens gelungen. Die herbeieilende Menge war entzückt und staunte über die geheime Macht, durch welche das gestrige Unglück anscheinend in einer Nacht wettgemacht worden war. Besonders verwundert über die hohen Künste des Hiram Abiff war die Königin Balkis. Wegen seiner genialen Fähigkeiten verliebte sie sich unsterblich in ihn.

Als die Königin eines Tages in Begleitung ihrer Hofgesellschaft außerhalb von Jerusalem einen Spaziergang machte, begegnete sie dem Hiram. Er war allein und in Gedanken versunken. Doch als er sie sah kam er auf sie zu und die beiden gestanden einander ihre Liebe.

An dieser Stelle sei eine alte Überlieferung angeführt, die sich sowohl im Koran wie auch in den mythischen Überlieferungen der alten Perser findet.
Bevor sich König Salomon und die schöne Königin Balkis zum ersten mal begegneten, flog ein Wiedehopf als Bote in den Palast des Salomon. Der König verstand die Sprache der Vögel und auch die der Feuergeister. Dieser besondere Vogel trug den Namen Hud-Hud. Er berichtete dem Salomon vom großen Reichtum der Balkis. Im Volk der Balkis war Hud-Hud ein Bote der Feuergeister – jene Wesen, die die Araber als „Dschinnen“ bezeichnen.

Als sich Hiram Abiff und Königin Balkis in einem Garten östlich der Stadt begegneten, hörten sie von einem Akazienbaum die Rufe des Hud-Hud. Hiram sah den Vogel und zeichnete das T-Symbol in die Luft. Da erhob sich der kleine Wiedehopf und flog um Hirams Haupt, bis er sich auf sein linkes Handgelenk setzte. Da rief Sarahil, die Amme der Königin: „Die Weissagung ist erfüllt! Hud-Hud hat den Ehegatten der Königin erkannt, den die Dschinnen für sie bestimmt haben!“ Nun zögerte das Liebespaar nicht länger und verlobte sich.

Illustration: Augustus Knapp

Hiram Abiff sollte jetzt so schnell wie möglich Jerusalem verlassen und sich nach Saba begeben. Die Königin wollte indessen König Salomon aufsuchen, um zu verhindern, dass er Hirams Flucht bemerkte. Außerdem wollte sie ihr Heiratsversprechen rückgängig machen. Sie berauschte Salomon mit Wein und es gelang ihr so den goldenen Verlobungsring von seinem Finger zu ziehen. Doch als Salomon am nächsten morgen erwachte, durchschaute er die List der Königin. Nun gab er den drei Gesellen, die den Guss des bronzenen Beckens zuerst verdorben hatten, den Auftrag den Nebenbuhler Hiram zu beseitigen.

Vor seiner Flucht kam Hiram Abiff nocheinmal in den Tempel. Dort schlugen die drei Gesellen mit seinen eigenen Werkzeugen auf ihn ein: Hammer, Winkelmaß und Zollstock. Symbolisch waren sie die drei Stellvertreter der Mächte der kosmischen Nacht. Bevor der Sterbende aber seinen letzten Seufzer aushauchte, riss er sich das Goldene Dreieck mit dem Meisterwort vom Hals und warf es in einen tiefen Brunnen. Als er nun in seinem Blut auf dem Boden seines Werkes lag, schlug er noch einmal seine Augen auf. Sein Gesicht umgab ein süßes Lächeln kosmischer Schau. als er in seinem Herzen zum großen Baumeister des Universums sprach:

„Meine Arbeit wurde nicht vollendet. Wieso muss es immer unvollendet bleiben? Nicht konnte ich vollbringen das Werk zu dem Du mich geleitet hast, stattdessen wandte sich das was ich erschuf gegen mich und die Werkzeuge die Du mir gabst zerstörten mich. Das heilige Meisterwort das Du mir gabst, trag ich nun auf immer im Herzen und kehre zurück zu Dir.“

Nachher verscharrten die drei Meuchelmörder seinen Leichnahm auf einem einsamen Hügel in Jerusalem und pflanzten auf seinem Grab eine Akazie – dem Symbol der Unsterblichkeit.

Nun fragten sich seine Bauleute, die ihn zuletzt vor sieben Tagen gesehen hatten, wo sich Hiram Abiff befände. Sie drängten König Salomon nach Hiram suchen zu lassen, der ihnen, wenn auch ungern nachgab und drei Meister mit der Suche beauftragte. Sie fanden schließlich den den Leichnahm. Ihnen war sofort klar, dass es sich bei den Mördern um die drei Gesellen handeln musste, denen Hiram die Meisterweihe verweigert hatte. Sie beschlossen das geheime Meisterwort vorsichtshalber abzuändern. Während sie die Leiche Hirams emporhoben fiel zufällig ein Wort, dass nun also zum künftigen Eidschwur erhoben wurde: „Makbenach“ – was soviel bedeutet wie „erschlagener Bruder“. Dieses Wort sollte das geheime Kennwort des Meistergrades der Freimauerer werden.
Die drei Meister forschten aber dennoch nach dem Goldenen Dreieck das Hiram um den Hals trug, denn darauf stand ja das ursprüngliche Meisterwort. Schließlich fanden sie das Goldene Dreieck in jenem Brunnen.
Als man die drei Mörder erwischte nahmen sie sich selbst das Leben, da sie der Hand der Gerechtigkeit entgehen wollten.
Das Goldene Dreieck übergaben die Meister dann dem Salomon. Er legte es auf einen Altar in einem entlegenen Raum im Jerusalemer Tempel, den Hiram Abiff für ihn errichtet hatte. Damit niemand das Goldene Dreieck mit dem wahren Meisterwort fände, ließ er darauf einen großen steinernen Würfel stellen, in dem sich die zehn Gebote befanden. Schließlich wurde das verbotene Gewölbe zugemauert und sein Vorhandensein blieb alleine 27 Erwählten bekannt.

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