Im Herzen ist, was den Menschen bewegt

Das chinesische Schriftzeichen 心 steht für das Herz – doch auch für den Geist. Wie aber kann das sein, wenn Herz und Geist unterschieden werden?

Das Herz ist das, was einen Menschen antreibt. Wenn ein Mensch aus seinem ursprünglichen Dämmerzustand des Alltags endlich erwachen würde, sähe er, wie sich vor ihm der wahre Geist seines Selbst enthüllt. Damit würde er sofort erkennen, dass sein Herz sein allerwichtigstes Organ ist.

Oberflächlich betrachtet, scheinen Herz und Geist nicht miteinander gemein zu haben. Wer jedoch so weit fortgeschritten ist, den wahren Geist in sich zu erwecken und sein innerstes Wesen zu enthüllen, der wird sehen, dass das Herz, das auf diese Weise erzogen wurde, auch als Geist bezeichnet werden kann. Das mag hier nun beim ersten Lesen, vielleicht etwas verwirrend klingen, identifiziert man mit dem Herzen ja doch immer das Herz in der Brust – eben jenes Blut pumpende Lebensorgan. Wenn die Mystiker jedoch vom Herzen reden, deuten sie auf ein spirituelles Zentrum im Menschen hin, dass sich in seinem Ätherleib, unendlich nach innen ausdehnt.

Das Herz ist kein Fleischballen. Der Ort des Gewahrseins eines Menschen – das ist das Herz.

– Wang Yangming

Die Suche nach wahrer Spiritualität, wird also nicht im Außen befriedigt, sondern im Finden eben jenes verborgenen Herzens in uns. Und doch: es ist sowohl in uns, als auch außerhalb von uns. Das Innere spiegelt das Äußere, das Äußere spiegelt das Innere. Das gilt für unser individuelles Leben ebenso, wie für das Leben aller Menschen in der Welt.

Der taoistische Text „Das Geheimnis der Goldenen Blüte“, spricht darum vom „Himmlisches Herz“. Dieses befindet sich zwischen Sonne und Mond – die auf mikrokosmischer Ebene den beiden Augen im menschlichen Kopf entsprechen (vergleiche alt-ägyptische Mythologie: Auge des Ra und Auge des Horus).
Das heißt: das hier genannte „Himmlische Herz“, entspricht eben jenem geheimnisvollen „Dritten Auge“ – zwischen den Augen, in der Stirnmitte, das moderne Esoteriker oft mit der Zirbeldrüse gleichsetzen.

Da es ja die Größe eines Quadrat-Zolls im Gesicht ausmacht, was sonst kann es sein, als das himmlische Herz? In Mitten des Quadrat-Zolls, wohnt ein herrlicher Glanz. In der purpurnen Halle der Jadestadt, wohnt der Gott äußerster Leerheit, höchsten Lebens.

– Aus „Das Geheimnis der Goldenen Blüte 1:9“

Zwischen den beiden Augen sitzt der Meister – der unsichtbare Herr.

– Kabir

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