Niyama: Einschränkungen

Ziel der zweiten Stufe auf dem praktischen Yoga-Weg, ist innere und äußere Reinheit zu erlangen. In unseren Vorstellungen, Gefühlen und unserem Willen muss sich Reinheit einstellen. Wahrhaftigkeit war eines der Ziele auf der vorherigen Stufe des Yama. Damit soll sich das Reine des Niyama verbinden.

Wie die Yamas, gibt es entsprechend zehn Niyamas: Einfachheit, Zufriedenheit, Glaube an Gott (beziehungsweise an einen Sinn der Schöpfung), Nächstenliebe, Verehrung der spirituellen Welt, die sakralen Schriften (Bhagavad Gita, Bibel, Koran, etc.), Bescheidenheit, Urteilskraft, spirituelle Praxis (Gebete) und Opferbereitschaft, Ausführung der Opfer (im Islam, wie auch in der Hebräischen Bibel, gibt es die Almosensteuer, die gewiss als Opferausführung gesehen werden kann).

Nächster Schritt ist die Aussöhnung mit dem eigenen Schicksal. Man sollte sich so annehmen, wie man zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist und auch die äußeren Umstände als solche akzeptieren. Egal was man in der Vergangenheit getan hat, dass man besser unterlassen hätte – egal was man unterlassen hat, das man in der Vergangenheit besser getan hätte: Es geht darum im Jetzt zu leben und sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

In jedem Geschick und in jedem verhängnisvollen Ungeschick wirkt ein höheres, geistiges Gesetz, dass den Prinzipien von Karma und Reinkarnation folgt. So will es die Yoga-Lehre. Wir selbst gestalten unsere Bestimmung. Auch wenn man nicht an Wiedergeburt oder ähnliches glaubt, liegt doch auf der Hand, dass schlechte Handlungen zu schlechten Auswirkungen führen.

Wir sollten lernen mit dem zu leben, was in diesem Moment gerade ist. Wenn wir einsam sind, ist das unser Ausgangspunkt, um neue Menschen in unser Leben zu bringen, besser noch für sie einen Mehrwert darzustellen. Wenn wir krank sind, konzentrieren wir uns auf unsere Gesundung. Wenn wir kein Geld mehr haben, richten wir unsere Aufmerksamkeit auf den Geldfluss, der sich in unsere Richtung bewegt und stellen uns in dieser Vision immer wieder die Frage: Was brauchen andere Menschen, dass ich ihnen geben kann? Wer gibt, wird irgendwann auch belohnt.

Unser Schicksal ist nichts, dass uns fremd ist oder von Außen kommt. Unser Karma und unser Handeln, beziehungsweise die Unterlassung bestimmter Taten, hat uns an den gegenwärtigen Punkt in unserem Leben gebracht und ist nichts Willkürliches. Dies anzuerkennen ist der erste Weg aus der Opferhaltung in die Freiheit, heraus aus den Zwängen von Not und Verzweiflung. Für alle die Schwierigkeiten haben – und jeder Mensch hat Probleme – geht es darum zuerst anzuerkennen: »Das ist mein Leben.«

Frei ist jeder, der in der Gegenwart lebt. Selbst wenn er sich in den Gemäuern einer Gefängniszelle befände. Der Psychologe Karlfried Graf Dürckheim zum Beispiel, war gezwungen, ein solches Bewusstsein zu entwickeln, denn man sperrte ihn unbegründet ein. Nach dem zweiten Weltkrieg nahmen ihn amerikanische Soldaten in Japan fest und inhaftierten ihn als deutschen Kriegsgefangenen. Im Gefängnis demütigte man ihn und er saß ein, ohne irgendeine Anklage. Ein gerichtlicher Verhandlungstermin war nicht in Sicht. Unter diesen gravierenden Umständen erlitt Graf Dürckheim mehrere Herzattacken und war kurz davor den Verstand zu verlieren. Er erkannte aber bald, dass er diesen Zustand wohl nicht sehr lange überleben konnte. So also musste er etwas finden, was ihm diente als Grundlage für eine innere Arbeit. So suchte er nach einem positiven Anhaltspunkt in dieser schwierigen Lage; und das war die Stille seiner Gefängniszelle, die er nutzte, um Meditation zu üben! Im Nachhinein kam ihm das vor wie eine göttliche Fügung, denn seine dabei gemachten Erfahrungen, sollten später vielen anderen Menschen zu Gute kommen.

Ganz unabhängig, in welcher Situation wir uns gerade befinden: es gibt immer einen Anhaltspunkt, der sich positiv bewerten lässt. Jeder Verlust birgt auch einen Zugewinn. Von hier sollten wir ausgehen, in unserem weiteren Handeln.

Wer die höhere Bedeutung der Gesetze des Karmas anerkennt, wird durch sein Tun inneres, geistig-seelisches Gleichgewicht erringen. So kommt man zur Erkenntnis der wahren Zusammenhänge, die einem helfen sich mit dem eigenen Schicksal zu versöhnen. Dann erst ist man so weit, die nächsten Stufen des Yoga-Weges aufzusteigen.

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