Windpferd Himori - ewigeweisheit.de

Über die sagenhafte Kosmologie der Tengri-Schamanen

Seine Reden begann der große Dschingis Khan stets mit dem Satz: „Auf Wunsch des ewigen blauen Himmels.“ Er sah sein Handeln im Auftrag Tengris – des göttlichen Himmels. Ihn verehren die Tengri-Schamanen wie auch andere, als höchstes Wesen der Welt und stehen damit in einer der ältesten Traditionen der Menschheit.

Es scheint als hätten die Völker Zentralasiens und der Mongolei im Himmlischen etwas ganz ursprüngliches gesehen, ja sogar an die himmlische Herkunft ihrer Ahnen geglaubt. Die Vorfahren der heutigen Türkvölker, standen mit dem Himmel in geheimnisvoller Verbindung. Nicht zufällig nannte sich das Volk des einstigen Großreiches (Khanat), dass sich von Turkemenien bis ins östliche China erstreckte, „Reich der Himmelstürken“ (Gök-Türken: Himmel = türk. Gök, mongol. Khökh).

Allegorie auf den Himmel: Jurte und Nomadenzelt

Die alten Türkvölker waren Nomaden, denen es wegen ihrer Lebensweise leicht gewesen ist, sich in den Steppen Zentralasiens mit dem Sternenlauf des nächtlichen Himmels vertraut zu machen. Seit uralter Zeit stellte man sich den Himmel als kosmisches Zeltdach. Vermutlich war der Ursprung dieses Phantasiebildes, die frühzeitigen einfachen Wohnungen der Menschen. Was der Himmel überdachte, war die Erde, die sich ausbreitete über die finstere Unterwelt.

Die Vorstellung des Himmels als Zelt, scheint überall auf der Welt verbreitet zu sein. Drum fanden die Nomaden für die Bestandteile ihrer Zelte und Jurten, himmlische Entsprechungen. Die Milchstraße ist Naht des Zeltdaches, von einem mythischen Sternenwesen zusammengenäht. Die Sterne sind die Lichtlöcher im Zelttuch und Fenster der Welt, über die die verschiedene Himmelsregionen belüftet werden. Saß dieses Zeltdach nicht richtig, entschlüpften durch die so entstandenen Öffnungen die Helden (Schamanen, Krieger) in den Himmel.

Reisen zwischen den Welten

Mongolische Schamanen unterteilen den Kosmos in drei Zonen: Himmel, Mensch und Erde. Im Mittelpunkt steht Tengri der als nicht-personifizierter Gott den ewigen blauen Himmel repräsentiert. Auf der Erde ist der Mensch, der versucht mit der Natur und dem Himmel in Frieden und Harmonie zu leben. Der Schamane ist Mittler zwischen Himmel und Erde, und als solcher hilft ihm eine besondere Kraft: Chiimori – das Windpferd. Die Kraft dieses himmlischen Pferdes trägt ein jeder Mensch in sich. Für die Schamanen ist Chiimori Kraft im Brustraum eines jeden Menschen, von wo seine persönliche, geistige Kraft ausgeht.

Chintamani Friedenssymbol – ewigeweisheit.de

Die drei Kreise im Zentrum des sogenannten Friedensbanners (gestaltet von Nicholas Roerich) stehen symbolisch für Himmel, Mensch und Erde. Es ist ein in Zentralasien weit verbreitetes Symbol und wird manchmal auch Chintamani-Symbol genannt.

Anders als normale Menschen, wissen Schamanen wie man die drei Weltebenen durchbricht, denn sie sind durch eine magische Mittelachse miteinander verbunden. Auf dieser Achse durchmessen die Schamanen auf ihren Reisen diese drei Welten. Diese Achse aber, um die der Himmel auf geheimnisvolle Weise kreist, befestigt ein mythischer Nagel. Darum nennt man im Altai den Polarstern, um den sich ja das Himmelsgewölbe unentwegt dreht, den „Himmelsnagel“. Gleichzeitig öffnet diese Achse aber auch ein Loch in den Ebenen zwischen den drei Zonen (Himmel, Menschenwelt, Erde), durch das die Götter auf die Erde herabsteigen und die Toten in der Unterwelt versinken. Das Loch ist ein Zentrum. Und da es die erwähnten drei Zonen der Welt verbindet, öffnet sich durch das Loch ein heiliger Raum. In diesen Raum strömen Realitäten, die nicht von dieser Welt, sondern von woanders im Himmel herkommen. Immer dann, wenn sich für die Menschen etwas besonders heiliges auf Erden ereignete, so die Schamanen, durchbrach etwas die Ebene zwischen Himmel und Erde.

Wenn sich der Schamane in Trance begibt, vermag er durch dieses Loch in die himmlische Welt aufzusteigen oder hinab in die Unterwelt zu gleiten. Von dort kehrt er wieder zu den Menschen zurück, um ihnen Heilung zu bringen.

Geheimes Erdenwesen

Laut schamanischer Kosmogonie, gab es am Anfang aller Zeiten nur Wasser und eine große Schildkröte, die ins Wasser starrte. Gott wendete das Tier auf den Rücken und auf seinem Bauch entstand die Welt. Der Bauch aber wurde mit „Erdstoff“ bestreut, woraus sich die große menschenbewohnte Erde bildete. Diese „goldene“ Schildkröte wurde Trägerin des Weltenberges, dessen Gipfel vom Licht des Polarsterns erstrahlte. Als solchen Weltenberg verehren die Schamanen Kirgisiens den Khan Tengri als „Herrn des Himmels“. Vier Gebirgskämme laufen in seinem Gipfel zusammen, die in die vier Himmelsrichtungen weisen. Jeder dieser Himmelsrichtungen, entspricht in den Gebeten der Schamanen eine zeremonielle Richtung:

  • Süden weist nach oben oder vorne.
  • Norden neigt sich abwärts oder nach hinten.
  • Osten aber weist nach vorn, denn es ist eine der beiden Haupthimmelsrichtung. Wer dem Himmel oder anderen überirdischen Wesen ein Opfer darbringen möchte, wendet sich gen Osten.
  • Andere Haupthimmelsrichtung ist schließlich der Westen, wohin man sich zurückwendet, um dort die unterirdischen Geister anzurufen.

Aufnahme des Khan Tengri von 1906 – ewigeweisheit.de

Aufnahme vom Gipfel des Khan Tengri (links oben) aus dem Jahr 1906. Erschienen in der Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins. Foto: Gottfried Merzbacher (1843–1926).

Sternenlauf am Himmelszelt

Sterne waren und sind für die Nomaden Zentralasiens wichtige Zeitzeiger. Besonders mittels der nächtlichen Himmelsneigung des Großen Bär (Großer Wagen), lässt sich Aufschluss gewinnen über die herrschende Jahreszeit:

Wenn der Schweif des Großen Bären nach Osten zeigt, so herrscht in der ganzen Welt Frühling, wenn er nach Süden zeigt, ist Sommer, und wenn er nach Westen zeigt, Herbst. Wendet er aber seinen Schweif nach Norden, so herrscht in der ganzen Welt Winter.

Meteore

Von Zeit zu Zeit, so glauben die Schamanen, schauen die Götter auf die Erde herab. Dazu öffnen sie bisweilen die Himmelsdecke ein wenig, um durch die so entstandene Himmelstür zu sehen was auf Erden vor sich geht. Ihre Blicke aber sind die Meteore, die als wunderbares Licht die ganze Erde sonderbar erglänzen lassen.

Polarstern und Weltachse

Der Nord-Polarstern ist von hoher Bedeutung im Glauben der Schamanen. In ihm sah man die Zeltstange oder den Pfahl, als Stütze des Himmelszelts. Es war der Himmelspfeiler den man „Goldene Säule“ nennt und der den Mongolen heilig ist. Alle Sterne, glaubt man dort, seien unsichtbar mit dem Polarstern verbunden. Sie gleichen einer Pferdeherde, wo jedes Tier am Himmelspflock des Polarsterns festgebunden ist.

Dem Weg zum Himmel folgt der Schamane über den Polarstern. Nur er weiß die Auffahrt durch die sogenannte „Mittelöffnung“ zu vollziehen. Er kann einen göttlichen Gedanken in ein konkretes mystisches Erlebnis umwandeln. Während für den normalen Menschen der Pfahl ein Zeichen ist, das nur ein Symbol für Polarstern und Weltenachse ist, ist er für den Schamanen tatsächlich ein geheimer Weg, über den er Gebete und Opfer an die Himmelsgötter abschickt.

Die Plejaden

Das berühmten Siebengestirn assoziiert man als Loch im Himmelszelt, durch das alles Kalte auf die Erde strömt. In der Tat folgt dem Auftreten der Plejaden am Himmel eine kältere Periode. Erst nach dem Sommer erscheinen die Plejaden auf der nördlichen Hemisphäre, da sie zuvor das Tageslicht überstrahlt. So sagt ihr jährliches Erscheinen am östlichen Horizont, größere Witterungsveränderungen voraus.

Mutter Sonne – Vater Mond

Wie im Deutschen, ist bei den Turkvölkern Zentralasiens die Sonne weiblich und der Mond männlichen Geschlechts. So nennen Kinder den Mond im kleinasiatischen Türkisch „Ay Dede“ – Großvater (Dede) Mond (Ay). Die alten Herrscher der Mongolen beteten morgens die Sonne, abends den Mond an.

Der Sonne opfert man auch bei Krankheit. Ein Kranker begibt sich am frühen Morgen, vor Sonnenaufgang vor die Jurte und wartet bis die Sonne aufgeht. Wenn sie hinter dem Horizont aufsteigt, betet er mit den Worten:

Verschone mich, denn ich bin ein braver Mensch, ich gebe dir Nahrung.

Sobald der Kranke genesen ist, wird der Sonne ein Hahn geopfert. Der aufgehenden Sonne, wird dann das Blut des Tieres entgegengespritzt. Den Neumond pflegte man zu begrüßen und wünschte sich von ihm dabei, er möge einem Glück und Wohlergehen bringen.

In der Mythologie der Schamanen waren in ferner Zeit Sonne und Mond noch nicht gewesen. Damals besaßen die Menschen noch nicht die Körper, die ihre Seelen heute tragen, sondern, so glauben sie, flogen als Lichtwesen durch die Luft. Sie selbst erwärmten und erleuchteten ihre Umgebung, so dass sie die Wärme der Sonne zum Leben noch nicht brauchten. Als einer dieser ersten Menschen aber erkrankte, sandte der große Himmelsgott ein Wesen aus, dass den Menschen half. Es stellte zwei große Metallspiegel an den Himmel und seit damals ist es auf der Erde hell. Nicht zufällig tragen die Schamanen einen magischen Spiegel auf der Brustseite ihres Gewandes. Sie richten ihre Zauberspiegel gegen Sonne und Mond, um aus dem Spiegelbild zu ersehen, in welchen Verhältnissen ein Mensch steht. Selbst wenn dieser in großer Entfernung lebt, vermag der Schamane dessen Schicksal durch seinen Spiegel zu erschauen.

Die Mongolen sagen, dass es auf der Welt einst vier Sonnen gab und es damals drückend heiß war auf der Erde, bis der Held Erkhe-Mergen alle Sonnen vom Himmel herabschoss, bis auf eine. Sie blieb um die Erde zu wärmen und zu erleuchten.

Das burjatische Märchen vom Zauber-Igel

Als Himmel und Erde durch die Heirat ihrer Kinder Verwandte wurden, stattete der Herr der Erde, dem Himmelsgott einen Besuch ab. Als er ihn dann wieder verließ erbat er sich Sonne und Mond als Geschenk. Das konnte ihm der Himmelsgott nicht abschlagen und der Herr der Erde nahm sie mit und schloss sie in einen Schrein, was aber die ganze Welt verfinsterte. Da wandte sich der Himmelsgott an seinen Zauber-Igel. Er sollte die beiden Himmelskörper zurückbringen. Damit einverstanden kam der zum Herrn der Erde. Bei seinem Abschied, fragte der Herr der Erde den Igel, was er sich als Abschiedsgeschenk von ihm wünsche, der antwortete: „Gib mir das Pferd der Luftspiegelung und den Echospeer“. Doch diesen Wunsch vermochte der Herr der Erde dem Igel nicht zu erfüllen und gab ihm stattdessen Sonne und Mond als Geschenk der Gastfreundschaft. Als der Igel dann Sonne und Mond auf ihrer alten Bahnen setzte, wurde die Erde wieder hell.

Der Igel erscheint auch in anderen Sagen als weises Tier und Ratgeber, ist mal Erfinder des Feuers, ein andermal Erfinder des Ackerbaus. Bei den Burjaten war der Igel ein Alleswisser, doch ursprünglich ein Mensch.

Mongolischer Burjat-Schamane – ewigeweisheit.de

Mongolischer Burjat-Schamane (1904).

Venus

Die Burjaten nennen die Venus „Solbon“. Es heißt Solbon, der morgens und abends am Himmel zu sehen ist, sei ein großer Pferdefreund, der mit einem Lasso in der Hand über die himmlischen Gefilde reitet. Seine große Pferdeschar hütet der Hirte Toklok. Mit dem Scheren von Mähne und Schweif im Frühjahr, erbringen sie Solbon (Venus) ein Opfer. Von den Menschen wollte Toklok gelernt haben, wie man die Pferde pflegt. Für die Burjaten ist es darum ein gutes Zeichen, wenn ein Fohlen im Spätsommer, nach dem Auftreten Solbons vom Himmel zur Welt kommt.

Exkurs: Chiimori das Windpferd

Laut einem Schamanenmythos, stammen die Menschen nicht von den Affen ab, sondern kamen von der Venus auf dem fliegenden Pferd Chiimori zur Erde (den Namen Chiimori haben wir oben bereits erwähnt). Der russische Maler Nicholas Roerich verwendete das weiße Windpferd Chiimori (auch: Hiimori, Himori, Himor oder Erdeni Mori) in mehreren seiner Gemälde als Motiv. Und dieses Pferd trägt auf den Bildern das heilige Wunschjuwel Chintamani – einen besonders kraftvollen Glücksstein, der Teil ist des sogenannten „Schatzes der Welt“. Wer sich in Gegenwart dieses Steines aufhält, dem werden besondere Kräfte zu teil, die mit ihm vom anderen Planeten auf die Erde kamen.

Laut der Legende landeten die außerirdischen Reisenden auf einer alten Kamelroute, die zwischen Ulan-Bator (Mongolei) und Lhasa (Tibet) verläuft, und die Hügel Tibets schneidet. Als Roerich zusammen mit seiner Frau Helena sich in dieser Gegend aufhielt, will er dort angeblich seltsame Dinge am Himmel ausdindig gemacht haben. Im Dezember 1923 verschwand er und seine kleine Expedition wochenlang von der Erdoberfläche, wie es scheint in einem der Berge dieser Region. Dort soll er auf die Hauptader des magischen Chintamani-Gesteins gestoßen sein. Als sie schließlich wieder auftauchten hatten sie eine faszinierende Geschichte zu erzählen, doch auch noch mehr Geheimnisse zu verbergen.

Schon zuvor, als der 13. Dalai Lama Thubten Gyatso sich 1905 von Tibet auf dem Weg in die Mongolei befand, ließ er seine Gefährten wissen, dass sie unweit des Berges sind, wo sich die Schlucht von Shambhala (Buchtipp) befindet und die Legende vom fliegenden Windpferd Chiimori, seinen Anfang nahm.

 

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